40 - Im fernen Westen
ganz aus dem köstlichen Fell der gelben Ratte, die jetzt fast ausgestorben ist. Bewaffnet war er mit Messer, Tomahawk, doppelläufiger Büchse nebst Bogen und Köcher.
Als er durch das Tor einritt, eilte ihm alles entgegen. Er trug zwar nicht die Kriegsfarben im Gesicht, aber das Kommen eines Tetong war jetzt unter allen Umständen bedeutungsvoll.
Ich trat an sein Pferd heran und streckte ihm die Hand entgegen*.
„Hos takh-shon enokh – guten Morgen!“ grüßte er einfach. „Ich komme allein. Erhält das ‚Tödliche Feuer‘ freies Geleit?“
„Ja“, antwortete ich. „Man hat es mir versprochen.“
„Mein Bruder glaube nicht alles, was man sagt! Der Häuptling der Tetongs wird seine Waffen nicht ablegen.“
Da trat derselbe Unteroffizier herbei, welcher mich benachrichtigt hatte, und sagte dem Tetong, daß er im Beratungssaal erwartet werde, vorher aber die Waffen abzulegen habe. Der Häuptling würdigte ihn keines Blicks, sondern wendete sich an mich:
„Wo ist dieser Ort?“
„Ich werde dich führen“, antwortete ich ihm.
„Halt!“ gebot der Unteroffizier. „Der Zutritt ist außer dem Häuptling einem jeden anderen verboten.“
Auch ich sagte kein Wort, sondern nahm den Rappen beim Zügel und führte ihn nach dem Beratungssaal. Dieser war nichts anders als die Turnhalle der Mannschaft, in die man jetzt einige Stühle gesetzt hatte. Der Häuptling sprang vom Pferd und trat ein; der Unteroffizier aber meinte zu mir:
„Ich habe Befehl, das Pferd des Roten fortzubringen!“
„Es gehört mir!“ antwortete ich und führte das Tier nach dem Store, wo ich es an einen Haken band.
Nun holte ich meine Gewehre aus meiner bisherigen Wohnung und hing sie über. Jetzt war ich auf alles vorbereitet und wartete.
Eine Wache von vier Mann hielt am Eingang zur Halle Wacht, und an der anderen Seite des Platzes hielten noch sechs Mann sich bereit, auf einen Wink zu Hilfe zu eilen. Man plante einen Verrat, aber ich war entschlossen, den Häuptling zu verteidigen. Ich hatte ein Messer, zwei sechsschüssige Revolver, eine geladene Doppelbüchse und einen fünfundzwanzigschüssigen Henrystutzen; wenn es mir gelang, den Saal abzusperren, so war ich meines Sieges gewiß.
So wartete ich wohl eine halbe Stunde, da erscholl im Saal ein Pfiff; die vier Mann Wache traten sofort ein, und die sechs anderen setzten sich auch von fern her in Bewegung. Alle Neugierigen, welche sich bisher in einer ehrerbietigen Entfernung gehalten hatten, drängten sich herbei. Schnell stieg ich auf meinen Mustang, ergriff den Rappen des Tetong beim Zügel und ritt auf die Halle zu. Ich war eher dort als die sechs Dragoner.
„Get you gone – packt euch! Fort!“ rief ich und drängte die Pferde zwischen die Menge hinein.
Sobald ich die Tür erreichte, sprang ich ab, trat ein und zog auch die Tiere nach, die nun mit dem hinteren Teil ihrer Leiber den Eingang so ausfüllten, daß kein Mensch passieren konnte. Ein Blick in das Innere der Halle zeigte mir den Stand der Angelegenheit. Der Pfiff hatte die vier Dragoner gerufen, um den Häuptling zu entwaffnen und gefangen zu nehmen; die sechs anderen sollten nachkommen, konnten aber nun nicht eintreten.
Der Tetong stand mit erhobenem Tomahawk in der Ecke, bereit denjenigen zu töten, der die Hand an ihn legte, doch aller Augen waren jetzt auf mich gerichtet. Die Offiziere waren bewaffnet, die Dragoner ebenso, doch machte mir das nicht bange.
„Was ist das! Was wollen Sie, Sir?“ rief mir der Major entgegen.
„Sie an Ihr Wort erinnern“, antwortete ich. „Sie versprachen mir freies Geleit für den Häuptling der Tetongs.“
„Das hat er erhalten; er hat frei hereingedurft.“
„Ah! Aber er darf frei hinaus?“
„Nein, denn so viel habe ich nicht versprochen.“
„Gut, Sir! Pokai-po, bite ta-ata – ‚Tötendes Feuer‘, komme her zu mir!“
Der Gerufene wollte sich in Bewegung setzen, da aber zog der Major den Revolver und richtete ihn auf mich.
„Hinaus, sonst schieße ich!“ gebot er.
„Pshaw!“ antwortete ich, indem ich nun direkt auf ihn zuschritt. „‚Tötendes Feuer‘ sage diesen Bleichgesichtern, wer ich bin!“
„Old Shatterhand!“ antwortete der Indianer.
„Old Shatterhand!“ wiederholten die Offiziere.
Die verblüfften Mienen waren ein wahres Gaudium für mich. Der bloße Name tut oft mehr, als der Träger desselben jemals fertig bringen kann.
„Ja, Old Shatterhand bin ich, Mesch'schurs“, sagte ich. „Wollen Sie es glauben, oder soll ich
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