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40 - Im fernen Westen

40 - Im fernen Westen

Titel: 40 - Im fernen Westen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Silber in der Erde wächst. In welcher Richtung will nun mein Bruder jagen?“
    „Nach dem Shayan hin; ich will einen Dieb und Mörder jagen. Geht mein Bruder Winnetou mit?“
    „Winnetou ist da, wo sein Bruder Scharlih ist. Wer ist der Mörder?“
    „Es ist der Mörder der fünf Männer, welche wir vor vier Wintern am Hellgate-Paß begruben.“
    Das war sicher auch für ihn eine überraschende Kunde, aber seine Züge blieben unbeweglich; er war ein Indianer durch und durch.
    „Mein Bruder Scharlih erzähle!“ sagte er.
    Auch ich war gewohnt, mit ihm einsilbig zu verfahren; vielleicht hatte grade dies mir seine so ungewöhnliche Zuneigung erworben.
    Ich berichtete also in kurzen Worten nur das, was nötig war. Er hörte wortlos und ohne eine Miene zu verziehen zu und rauchte dann höchst gemächlich seine Zigarre zu Ende. Dann erhob er sich.
    „Hat mein Bruder Patronen mitgebracht?“ fragte er endlich.
    „Genug“, antwortete ich kurz.
    Da erhob er sich, warf die Büchse am Riemen über die Schulter und bestieg sein Pferd. Ich tat ganz dasselbe. Er lenkte direkt in das Wasser, und nun erst bemerkte ich, daß hier eine Furt vorhanden sei. Hinter seinem Sattel war ein runder, von abrasiertem Hirschleder umgebener Pack aufgeschnallt; er enthielt das Fleisch, welches der Apache vorhin geschossen hatte, und so waren wir mit allem Nötigen versorgt.
    Wir verstanden einander, ohne ein Wort zu sprechen. Winnetou war eben jetzt nach dem Shayansee aufgebrochen, das war seine Antwort auf meine Erzählung. Auf ihn konnte ich mich verlassen; er kannte das ganze Gebirge, von Mexiko an bis hinauf zum Frazerfluß.
    Wir ritten der Grenze zwischen Wyoming und Nebraska entgegen. Es war ein böser Weg, quer über die schwarzen Berge hinüber, besonders als es dunkel wurde und der Apache noch immer keine Neigung zeigte, zur Nachtruhe anzuhalten.
    Mein Mustang war ermüdet, aber er hielt gut aus, bis endlich Winnetou spät am Abend vom Pferd stieg und selbst das Feuer anbrannte, um das Fleisch nach seiner indianischen Weise zu bereiten. Da er die Nachtwache mit keinem Wort erwähnte, so glaubte ich, daß er die Gegend für sicher halte, und legte mich, als er wortlos zur Ruhe ging, neben ihm zum Schlaf nieder.
    Am anderen Morgen wurde der Weg fortgesetzt, immer durch unwirtliche Gegenden. Ich merkte, daß der Apache die einsamsten Striche aufsuchte, damit ja kein Mensch von unserer Wanderung nach dem See von Shayan etwas bemerke. Es mußte ihn doch gewaltig interessieren, den Menschen in die Hände zu bekommen, der uns damals entgangen war, weil uns seine Truppe an Zahl so unverhältnismäßig überlegen gewesen war.
    Auch dieser Tag verging. Wir machten heute früher halt zum Nachtlager als gestern, und die Vorsicht, welche der Apache dabei entwickelte, ließ mich vermuten, daß wir in der Nähe unseres Ziels angekommen seien, denn hier mußte wegen der mutmaßlichen Anwesenheit der Buschklepper in dieser Gegend jetzt sorgfältiger verfahren werden als bisher.
    Bereits am nächsten Morgen erreichten wir einen ansehnlichen Wasserlauf, welcher tief und breit genug war, größere Boote zu tragen.
    „Der Shayan!“ sagte Winnetou.
    Er ritt so zuversichtlich vorwärts, daß ich überzeugt wurde, die Gegend sei ihm von früher her sehr wohl bekannt. Der Fluß verbreiterte und vertiefte sich immer mehr, doch waren die Ufer von Urwald bestanden. Plötzlich bog Winnetou vom Ufer ab und in den Wald hinein, der so hochstämmig war, daß wir zwischen den Bäumen genügsam Raum zum Reiten fanden. Das Terrain stieg an; wir hatten eine ganz ansehnliche Höhe zu überwinden und gelangten schließlich auf eine Art von Hochebene, auf welcher der Urwald in niederes, von grasigen Stellen unterbrochenes Buschwerk überging.
    Da trieb mir die Luft einen Geruch entgegen, den ich von früher her kannte – Petroleumduft. Wir näherten uns dem Shayansee. Dies bemerkte ich auch an der Aufmerksamkeit, mit welcher der Apache den Boden nach etwaigen Fußspuren untersuchte. Jetzt machte er eine plötzliche Schwenkung, galoppierte mir eine kurze Strecke voraus, streckte dann den Arm aus und sagte:
    „Tu-indchule shayan – der Shayansee!“
    Der Petroleumgeruch war bei jedem Schritt der Pferde jetzt stärker geworden, und ich hatte daher vermutet, sehr bald auf das Wasser des Sees zu stoßen, aber als ich nun neben dem Apachen hielt, sah ich, daß wir noch immer eine ziemliche Strecke zu reiten hatten, um an das wirkliche Ufer zu kommen. Wir hielten

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