40 Stunden
ausschaltest!«
***
Ein lautes Knistern in seinem Ohrhörer jagte einen dumpfen Schmerz bis in Faris’ Hirn. Die Verbindung hier unten war inzwischen fast völlig zusammengebrochen. Er hörte nur noch Fetzen von dem, was die anderen im War Room sagten.
» Fa…mich… darfst… schalten…«
Mit der Hand, die noch eben dicht vor dem Monitorschalter geschwebt hatte, griff er sich ans Ohr. » Ben? Bist du das?« Aus dem Augenwinkel beobachtete er Hesse, doch der stand jetzt wieder ruhig und gelassen da. » Ben? Was sagst du? Ich verstehe dich nicht.« Verunsichert streckte Faris die Hand erneut nach dem Schalter aus.
Lauras Blick ruhte wie ein Gewicht auf ihm. Er zwang sich, sich davon nicht ablenken zu lassen.
Konzentriere dich!
Hatte Ben ihm etwas sagen wollen, oder war es nur ein Teil des Gespräches gewesen, das seine Kollegen in der Keithstraße führten? Er wusste es einfach nicht. Bens Stimme hatte aufgeregt geklungen, aber das konnte bei all den Verzerrungen auch täuschen. Das Piepsen des Monitors bildete ein gleichmäßiges, nervenzerfetzendes Hintergrundgeräusch.
Faris schaute zu Ellwanger empor, dessen Gesicht wirkte wie das eines bereits seit Langem toten Mannes. Die Blutbahnen, die ihm über Wangen, Kinn und Hals gelaufen waren, wirkten in dem grellen Licht des Scheinwerfers wie klaffende Wunden. Während Faris noch haderte, was er jetzt tun sollte, öffnete Ellwanger plötzlich die Augen.
Faris zuckte zusammen.
Ellwangers Blick war verschleiert. Seine Lippen bewegten sich tonlos. Dann drang ein langgezogener Laut aus seinem Mund, halb Stöhnen, halb Wort.
» …eeer?«
Faris biss die Zähne aufeinander. Der Mann litt, das war deutlich zu sehen. Er musste endlich eine Entscheidung treffen! Unsicher schaute er wieder zu Hesse, und langsam streckte er zum dritten Mal die Hand nach dem Schalter aus.
***
Jenny lehnte sich an Dennis’ Brust und wiegte sich mit ihm im Rhythmus der Musik. Das Knicklicht, das sie ihm geschenkt hatte, hing an der regenbogenfarbigen Schnur um seinen Hals. Ihres hingegen hielt sie in der Hand und schwenkte es hin und her, obwohl es noch nicht leuchtete. Einige der anderen Gottesdienstbesucher hatten ihre Lichter bereits aktiviert, aber Jenny würde damit bis heute Abend warten.
Sie schloss die Augen und stellte sich vor, wie schön es aussehen würde, wenn Tausende diese Lichter anmachten und in den Nachthimmel hielten. Es würde ein Signal werden, ein Signal für Ökumene und Verständigung!
Danach aber … Nachdem der Papst vor die Menge getreten war und das erste wirklich ökumenische Abendmahl abgehalten hätte, wäre sie dann schon bald mit Dennis im Hotel und…
Sie unterbrach die hitzigen Gedanken und unterdrückte ein Grinsen.
Pia, die links neben ihr stand, musterte sie. Die beiden Mädchen zwinkerten sich verschwörerisch zu.
» He!«, sagte Dennis plötzlich und reckte das Kinn.
Jenny machte sich aus seiner Umarmung los. » Was ist?«
Er wies auf den großen Bildschirm hinter dem Gospelchor. Bis eben hatten dort bunte geometrische Formen im Takt der Musik geflackert, doch jetzt waren sie verschwunden, und ein Film begann zu laufen.
Bilder des Papstbesuches von 2011 flackerten auf.
» Was soll das denn?«, hörte Jenny Pia murmeln.
Alexander
Alexander blickte auf seine Hände.
Die Hände, die seinen Vater an ein Kreuz genagelt hatten.
Er schüttelte über sich selbst den Kopf.
Der Engel war fort. Hierher in diesen kahlen Raum war er ihm nicht gefolgt, und Alexander fühlte sich so unendlich einsam, dass er aufschluchzte.
Hatte er denn nun recht getan oder nicht? Die beiden Männer, die ihn befragt hatten, der dunkelhaarige mit dem brennenden Ausdruck in den Augen und der geschniegelte mit dem Poloshirt– sie hatten gewirkt, als seien sie entsetzt über seine Tat.
Etwas regte sich in ihm, und er dachte daran, wie sein Vater ihm wieder und wieder gepredigt hatte, den Teufel in seinem Leib zu bekämpfen.
Eisiger Schrecken durchfuhr ihn. Was, wenn er diesen Kampf schon vor langer Zeit verloren hatte?
Er wimmerte auf.
Was, wenn der Engel gar kein Engel gewesen war, sondern ein Dämon? Ein Abgesandter des Satans?
Dieser Gedanke kam ihm so plötzlich, und er war so furchtbar, dass Alexander sich langsam in die Höhe stemmte. Unruhig huschte sein Blick durch den kahlen Raum.
Und fiel auf ein Rohr unter der Decke.
***
Faris fühlte sich wie ein Insekt, aufgespießt unter einem Mikroskop. Laura starrte ihn voller Panik an, Hesse lächelte
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