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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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war, an eigenen Theorien zu arbeiten. Tromsdorff hätte ihn nicht ins Team geholt, wenn es anders gewesen wäre.
    » Richtig. Und der Anrufer sagte mir auch, woher dieses Zitat stammt«, fuhr Faris fort. » Irgendwo aus der Bibel, aber leider habe ich die genaue Stelle vergessen. Als die Bombe hochgegangen ist, zitierte er einen weiteren Teil des Spruchs, und daran erinnere ich mich gut. Und als sie gebetet hatten, da erbebte die Stätte, wo sie versammelt waren.« Die Wucht der Bibelworte brach über Faris herein wie zuvor die Explosionswelle. Er presste die Handballen rechts und links gegen die Schläfen. Dann riss er sich zusammen. Bis auf die Bibelstelle erinnerte er sich an jedes einzelne Wort, an jeden Atemhauch des Mannes am anderen Ende der Leitung, an jeden Laut im Hintergrund. Später würde er alle Details zu Protokoll geben, aber sie alle hier im Raum waren erfahren genug im Profiling, um zu wissen, dass es oft die ersten unbewussten Eindrücke waren, in denen die Lösung eines Falles steckte. Aus diesem Grund wiederholte Faris den genauen Wortlaut nun für die anderen: » ›Irgendwo dort draußen, Faris, in deinem schönen Berlin, hängt ein Mann an einem Kreuz. Deine Aufgabe ist es, ihn zu finden. Solange sein Herz schlägt, ist alles gut. Wenn es aber aufhört, bevor du ihn gefunden hast, dann… Nun, wie sagt der Bibelspruch: Da erbebte die Stätte, wo sie versammelt waren. Ich denke, du verstehst, was ich meine.‹«
    Während Faris sprach, wandte Ben sich einem anderen Computer zu und tippte auf dessen Tastatur herum. Offenbar suchte er im Internet nach dem Bibelzitat, denn gleich darauf sagte er: » Apostelgeschichte.« Alle sahen ihn an. » Kapitel vier, Vers einunddreißig: Und als sie gebetet hatten, da erbebte die Stätte, wo sie versammelt waren. Und sie wurden alle vom Heiligen Geist erfüllt und redeten das Wort Gottes mit Freimut.«
    » Die Stätte, wo sie versammelt waren«, wiederholte Shannon leise. » Er gibt uns einen Hinweis auf den Ort, wo sich die Bombe befindet.«
    Gitta stöhnte auf. » Das kann überall in Berlin sein. Der Kirchentag ist in vollem Gang.« Sie hatte recht. Mehr als fünftausend verschiedene Einzelveranstaltungen über die gesamte Stadt verteilt waren geplant. Insgesamt wurden über eine Viertelmillion Besucher erwartet.
    Tromsdorff räusperte sich. » Dazu kommen wir noch.« Dann wandte er sich direkt an Faris. » Hast du eine Idee, warum der Anrufer ausgerechnet mit dir Kontakt aufgenommen hat?«
    » Ich bin nicht sicher. Aber er gibt vor, der Bomber vom Klersch-Museum zu sein.« Kurz erzählte Faris auch den anderen Kollegen von der arabischen Floskel und ihrer Bedeutung.
    » As-samu alaikum.« Tromsdorff nickte. » Ich erinnere mich daran.«
    » Friede sei mit dir?« Marc kratzte sich am Kopf. » Warum ist das…«
    » As-samu alaikum heißt nicht Friede sei mit dir « , fiel Faris ihm ins Wort. » Friede sei mit dir heißt as-sa la mu alaikum. As-samu alaikum dagegen hat eine Silbe weniger, hörst du? Es ist eine Beleidigung. Frei könnte man es übersetzen mit: Der Tod sei mit dir. «
    » Oh.« Marc wirkte betroffen. Mit einer fahrigen Bewegung strich er sich die Haare aus der Stirn. » Das wusste ich nicht.« Die Tatsache war ihm sichtbar peinlich, und wie schon so oft wunderte Faris sich über diese Art von Befangenheit, die ihm so typisch deutsch vorkam.
    » Konntest du ja auch nicht«, sagte er. » Das waren wie gesagt die letzten Worte, die der Museumsbomber zu mir gesagt hat.«
    » Hm.« Tromsdorff wedelte mit der Hand durch die Luft. » Und wenn ich mich richtig erinnere, haben wir diese Info nie an die Öffentlichkeit gegeben.«
    Während sie diskutierten, hatte sich Gitta in ihren Glaskasten zurückgezogen. Seit etwa einem Jahr besaß das LKA ein neues Computersystem namens Dig AA , das es erlaubte, Fallakten digital abzulegen, inklusive aller Tonbandaufnahmen und Tatortfotos, die im Laufe einer Ermittlung entstanden. Aus diesem Grund konnte Gitta von ihrem Schreibtisch aus bequem auf sämtliche Aufzeichnungen des Museumsfalls zurückgreifen, und genau das tat sie nun.
    » Auf den ersten Blick kann ich Folgendes sagen«, meinte sie, während sie las. » Es gab damals fünfundsiebzig Tote. Und die Kollegen von der Forensik konnten Leichenteile eindeutig dem Bombenleger zuordnen.« Sie musterte Faris. » Dein Anrufer kann also auf keinen Fall der Kerl aus dem Museum sein, Faris.«
    Faris rieb sich die Augen. Er hatte sich so etwas schon gedacht. »

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