40 Stunden
belanglosen Einträge las, erschienen am Fuß der Liste mehr und mehr davon.
» Habt ihr was?«, hörte er Paul fragen.
Faris verneinte. » Erste Rückmeldungen zu dem Foto des Gekreuzigten. Bisher aber nur Müll.«
Paul seufzte. » War irgendwie klar! Die Jungs in der Telefonzentrale haben wahrscheinlich auch schon eine ganze Menge Murks gehört, seitdem das Foto veröffentlicht wurde. Ich glaube, ich gehe mal runter und gucke, ob irgendwas Brauchbares dabei ist.«
» Wie lange, glaubst du, braucht dein Programm noch, bis es Ergebnisse liefert?«, fragte Faris Hesse.
Der Journalist zuckte die Achseln. » Eine Stunde, zwei, drei. Keine Ahnung. Hängt, wie gesagt, davon ab, wie gut euer Kerl ist.« Während Faris mit Paul telefoniert hatte, hatte Hesse damit begonnen, ein paar erste reißerische Schlagzeilen zu formulieren.
» Bombenattentäter hält Berlin in Atem«, las Faris. » Attentat mit religiösem Hintergrund.«
Der religiöse Hintergrund … Faris dachte an die Kollegen der SERV , die in diesem Augenblick wahrscheinlich gerade über der Auswertung des Videos brüteten.
Er wies auf einen der Computer. » Kann ich da jetzt dran?«
» Klar. Der Browser läuft schon, du kannst einfach loslegen.« Der Reporter sah nicht einmal von seiner Arbeit auf.
Faris setzte sich und loggte sich mit dem von Paul erhaltenen Zugangscode in die Verwaltung der Dig AA ein. Das Aktenzeichen des Klersch-Museumsfalles kannte er auswendig. Er tippte es in die dafür vorgesehene Maske. Gleich darauf hatte er Zugang zu allen Berichten, Fotos und Audiodateien, die die Ermittler damals angelegt hatten.
Statt sich sofort darüber herzumachen, zögerte er jedoch.
Etwas in ihm sträubte sich dagegen, sich all die Details wieder anzusehen, die er so mühsam versucht hatte zu vergessen. Nachdenklich starrte er auf die Milchglasscheibe und ließ seinen Gedanken freien Lauf.
Manchmal, wenn er nicht vorankam in einem Fall, nutzte er diese Technik ganz bewusst, und ab und an förderte sie etwas zu Tage, eine Einzelheit, ein winziges Fragment, das nicht stimmig war. Einen Gesprächsfetzen, der eine Spur bildete. Oder auch einfach nur eine Ahnung.
Eine Ahnung …
Plötzlich hatte Faris das Gefühl, dass die Antwort auf all ihre Fragen nicht in den alten Akten lag, sondern in den Worten, die der Anrufer zu ihm am Telefon gesagt hatte.
Er schloss den Museumsfall und rief stattdessen den aktuellen auf. Dessen Aktenzeichen hatte er noch nicht im Kopf, aber das System des Dig AA war so organisiert, dass die Vorgänge, auf die am meisten zugegriffen wurde, in einer Liste rechts auf dem Bildschirm aufgeführt wurden. Und da im Moment wahrscheinlich die gesamte Berliner Polizei nach dem Attentäter fahndete, stand dessen Akte ganz oben.
Sie war bereits auf eine beachtliche Größe angewachsen. Faris entdeckte Mitschnitte aus der Telefonzentrale, die sich um die eingehenden Hinweise aus der Bevölkerung kümmerte. Er fand Aussagen von Augenzeugen der Explosion im U-Bahnhof und auch schon die ersten Berichte von Beamten, die damit begonnen hatten, die Angehörigen der damaligen Museumsopfer zu befragen. Shannon Starck, seine Teamkollegin aus der SERV , hatte zwei Einträge abgelegt, in denen sie erörterte, ob die beiden größten fundamentalchristlichen Vereine, die es in Berlin gab, die Mission Gotteswort und die Christus-Freaks, mit den Anschlägen in Verbindung gebracht werden konnten.
Faris überflog oberflächlich Shannons Texte und auch die Befragungen. Dann klickte er sich bis zu der Audiodatei durch, die von seiner eigenen Vernehmung angelegt worden war. Im Gespräch mit den Kollegen hatte er versucht, sich so gut er konnte an den genauen Wortlaut der beiden Telefonate mit dem Bombenleger zu erinnern. Jetzt ließ er die Aufnahme ablaufen. Seine Stimme klang seltsam, und er lauschte ihr wie der eines Fremden.
An der Stelle, an der er sich murmeln hörte: » Und dann sagte er, ich solle zur U-Bahnstation Bismarckstraße gehen«, stoppte er die Aufzeichnung. » Hast du einen Block und einen Stift?«, fragte er Hesse.
» Zweite Schublade von unten.« Hesse wies auf den nachtschrankähnlichen Container, aus dem er zuvor die Kopfschmerztabletten geholt hatte.
Faris zog die Schublade auf und entnahm ihr einen Collegeblock und einen von mehreren orangefarbenen Kugelschreibern, die allesamt das Logo von hotnewzz.tv trugen. Dann begann er, den genauen Wortlaut seiner Telefonate mit dem Bombenleger ein zweites Mal zu rekonstruieren.
Erst
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