40 Stunden
notierte er as-samu alaikum auf seinem Block. Er malte ein Fragezeichen daneben und schrieb: Bomber vom Klersch-Museum?
Du erinnerst dich, hatte der Anrufer gesagt. Und: Man könnte meinen, du hättest dazugelernt. Ebenso wie die arabische Floskel wies das darauf hin, dass der Anrufer und der Museumsbomber in irgendeinem Zusammenhang standen. Dass die beiden ein und dieselbe Person waren, hatten sie längst ausgeschlossen, aber trotzdem musste es eine Verbindung zwischen den beiden Männern geben. Irgendwie, das ahnte Faris, schien das Motiv für die jetzige Bombenserie in dem alten Museumsfall begründet zu liegen.
Die Frage war nur: Wie?
Dick schrieb er Wie passt das zusammen auf das Blatt und versah die Notiz mit drei Fragezeichen.
Fünf Minuten hatte der Anrufer ihm Zeit gegeben, in die Bismarckstraße zu gelangen.
Nachdenklich starrte Faris auf Hesses Rücken.
Von seiner Wohnung aus war der U-Bahnhof in dieser kurzen Zeit mit knapper Not zu erreichen. Der Täter wusste also offenbar nicht nur über die Geschehnisse damals im Klersch-Museum überaus gut Bescheid. Er schien auch zu wissen, wo Faris wohnte.
Woher kennt Täter mich?, schrieb Faris auf den Block. Und darunter: Motiv?
Paul und die anderen vermuteten, dass der Anrufer eine Rechnung mit Faris offen hatte.
MOTIV setzte Faris nochmals in Großbuchstaben darunter und schrieb hinzu: offene Rechnung. Dann begann er zu sammeln, was ihm dazu gerade einfiel.
Klersch-Bomber.
Angehörige von damaligen Opfern.
Die erste Zeile strich er durch, die zweite unterkringelte er. Mit dem Kugelschreiber klopfte er sich gegen die Schneidezähne. Keiner der Befragungsberichte enthielt Informationen, die über blankes Entsetzen und Unwissenheit bei den Angehörigen der Museumsopfer hinausgingen.
Frustriert starrte Faris auf die Worte offene Rechnung. In diesem Moment kam ihm eine Idee.
Außer dem Bombenleger selbst und den Familien der Opfer gab es noch jemanden, der mit dem Attentat im Museum verbunden war, wenn auch nur indirekt.
Faris blickte auf. » Golzer«, murmelte er.
Hesse drehte sich überrascht zu ihm um. » Die Glatze, die du vermöbelt hast? Was ist mit dem?«
» Er könnte ein Motiv haben für diese ganze Aktion hier!« Faris warf den Kugelschreiber auf den Block.
» Du meinst, weil du ihm die Fresse poliert hast und er sich jetzt wie ein Waschlappen fühlt, fängt er an, halb Berlin in die Luft zu sprengen?« Die Skepsis war Hesse deutlich ins Gesicht geschrieben.
» Ich bin ausgerastet, weil er mich einen Bombenleger genannt hat.« Faris zuckte die Achseln. » Ich weiß, es ist ziemlich an den Haaren herbeigezogen.«
» Stimmt.« Neugierig schielte Hesse auf den Monitor von Faris’ Laptop.
Faris stand auf. Vor ein paar Jahren hatten die Kollegen in Brandenburg gegen die Hells Angels ermittelt. Dabei war herausgekommen, dass die Motorradgang dabei war, engere Kontakte zur Neonazi-Szene zu knüpfen. Beinahe zeitgleich war es gelungen, mehrere Sprengstoffattentate der Rocker in Potsdam zu verhindern. Golzer des Attentats auf die U-Bahn zu verdächtigen war zwar trotzdem noch weit hergeholt, aber Faris hielt es in dem vollgestopften Büro jetzt nicht mehr aus. Eine kribbelige Unruhe erfasste ihn und machte es ihm unmöglich, still herumzusitzen. » Was glaubst du, wie lange dauert das hier noch?« Zur Verdeutlichung, was er meinte, wies er auf den Laptop.
Hesse zuckte die Achseln. » Eben dachte ich, wir haben es, aber so wie’s aussieht, noch ’ne Weile.«
» Gut.« Faris zog die Schultern zurück. » Ich statte Golzer einen Besuch ab.« Er nahm sein Handy aus der Tasche und griff sich eine von Hesses Visitenkarten, die dieser auf dem Schreibtisch liegen hatte. Rasch tippte er dessen Mobilfunknummer ein und wählte. Als Hesses Gerät die Titelmelodie aus Die Unbestechlichen spielte, legte er wieder auf. » Damit hast du meine neue Nummer. Ruf mich an, sobald du ein Ergebnis hast, okay?«
» Hmhm.« Hesse war nur mit halber Aufmerksamkeit bei der Sache. Über irgendetwas schien er intensiv nachzudenken, und Faris beschloss, das für seine Zwecke auszunutzen.
» Kannst du mir dein Motorrad leihen?«
Mit einer Hand wedelte Hesse zu dem nachttischähnlichen Container. » Der Schlüssel liegt irgendwo da drauf.« Dann beugte er sich über den Laptop und tippte genau zweimal auf die Entertaste.
Faris überließ den Journalisten seinen technischen Spielereien. Er griff sich den Schlüssel und verließ das Flughafengebäude auf demselben
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