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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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schwarz-weiß-roten Fahnen, die überall in den Fenstern hingen. Ursprünglich war das hier einmal ein Ausflugslokal gewesen, jetzt jedoch diente es einer Gruppe von Neonazis als Vereinsheim. Im Hinterhof– das wusste Faris– befand sich ein von Bäumen beschatteter Biergarten, der idyllisch hätte wirken können, wenn nicht die Mauern ringsherum mit verschiedenen Nazisymbolen beschmiert gewesen wären. Über der schwarz gestrichenen Eingangstür mit dem kunstvoll geschmiedeten Fenstergitter wehte ein schwarzes Banner. In eckiger Frakturschrift verkündete es, dass in diesem Haus der Nationalistische Widerstand Berlins residierte.
    Mit einem seltsamen Gefühl im Magen bockte Faris das Motorrad auf. Ihm war klar, dass er sich in eine brenzlige Situation brachte, aber er konnte nicht anders. Er wusste, dass Rainer Golzer, der Neonazi, den er vor knapp vier Wochen zusammengeschlagen hatte, zu diesem Verein gehörte. Er redete sich ein, dass er auf diese Weise etwas zu den Ermittlungen seiner Kollegen in der Keithstraße beitragen konnte, aber wenn er ehrlich mit sich war, dann genoss er den Kick. Eine kleine Auseinandersetzung mit den Glatzen würde ihm ein willkommenes Ventil für das Chaos bieten, das die Explosion in seinem Verstand angerichtet hatte.
    Oder?
    Er atmete einmal tief durch und schob alle Bedenken in den hintersten Winkel seines Gehirns– dorthin, wo sie hingehörten.
    Langsam trat er näher an das Vereinsheim heran. Offenbar war er beobachtet worden, denn noch bevor er die Eingangstreppe erreicht hatte, wurde die Tür geöffnet. Zwei junge Männer kamen ihm entgegen. Sie waren beide nicht besonders groß, aber dafür umso breiter. Sie trugen Kampfhosen und Springerstiefel und hatten die Arme vor der Brust verschränkt, sodass Faris die Aufschriften auf ihren schwarzen T-Shirts nicht lesen konnte. Nur einer der beiden hatte eine Glatze, der andere Mann hatte seine Haare auf militärisch-altmodische Weise kurzgeschnitten. Den mit der Glatze kannte Faris. Er war vor vier Wochen in der Kneipe dabei gewesen, als Golzers Nasen- und Jochbein unter Faris’ Faustschlägen in Trümmer gegangen waren. Golzer hatte ihn mit Michi angeredet.
    Michi. Die Harmlosigkeit dieses Namens reizte Faris auch jetzt wieder zum Lachen.
    Michi war der Erste, der sprach. » Was ist so komisch?«, raunzte er. Seine helle Stimme passte besser zu seinem Namen als zu seinem martialischen Aussehen. Und mit seinen Augen schien etwas nicht in Ordnung zu sein. Er blinzelte kurzsichtig. Erst dann begriff er, wen er vor sich hatte. » Du bist doch der Kaffer, der Rainer zusammengeschlagen…«
    » Genau«, fiel Faris ihm ins Wort. » Ich möchte zu ihm.« Seine Schultermuskeln hatten sich in dem Augenblick verkrampft, als Michi ihn erkannt hatte. Unauffällig versuchte er, locker zu bleiben.
    Michis Gesichtsausdruck wandelte sich in schneller Reihenfolge von Verblüffung über Ungläubigkeit hin zu blankem Hohn. » Das ist aber nicht dein Ernst, oder?« Er gab dem zweiten Typen einen ruckartigen Wink mit dem Kopf, und der machte auf dem Absatz kehrt und verschwand im Inneren des Hauses.
    Faris wappnete sich und trat noch einen Schritt vor. Im Biergarten wurden Stimmen laut, und ihm war klar, dass sich dort weitere Mitglieder dieses Vereins aufhalten mussten. Er unterdrückte das Gefühl von Endzeitstimmung, das ihn jetzt auch außerhalb des Flughafengebäudes überkommen wollte.
    » Doch«, antwortete er und hob die Hände in die Höhe. » Ich will nur kurz mit ihm sprechen.«
    Hinter Michi trat nun ein weiterer Mann ins Freie. Rainer Golzer. Im Gegensatz zu den beiden anderen Neonazis trug er eine schlichte Jeans und ein weißes T-Shirt, auf dem allerdings in derselben Schrift wie auf dem Banner die Buchstaben NWB abgedruckt waren. Die Prellungen in seinem Gesicht schienen weitgehend verheilt, aber die gebrochenen Knochen von Nasen- und Jochbein konnte man noch gut erkennen. Golzers gesamte linke Seite wirkte leicht eingedellt, aber er trug die Zeichen seines Kampfes mit einem gewissen Stolz. Faris’ verkrampfte Schultern begannen zu schmerzen.
    Während Michi oben auf der Treppe stehen blieb, kam Golzer die Stufen herunter. » Lebensmüde, oder was?« Sein Kinn war herausfordernd vorgereckt.
    Faris schüttelte den Kopf. Das Adrenalin pumpte durch seine Adern. » Ich muss dir nur eine Frage stellen.«
    » Lassen sie dich also wieder arbeiten?« Eine Schrittlänge vor Faris blieb Golzer stehen. » War ja fast klar!« Abschätzig kniff

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