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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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er die Augen zusammen. Er hatte lange, dunkle Wimpern und blasse Lippen. Ohne die Glatze und die tätowierten Buchstaben NWB über seinem rechten Ohr hätte er ein Typ sein können, auf den die Frauen flogen.
    » Ich bin nicht dienstlich hier«, erklärte Faris. » Ich habe mich nur gefragt, ob du was mit der Bombe zu tun hast, die heute Morgen in der U-Bahn hochgegangen ist.« Das Gefühl von Endzeitstimmung in seiner Brust weitete sich aus, wurde zu einem bodenlosen schwarzen Abgrund, in den er blickte. Ungefähr eine Handvoll junge Männer traten durch die Pforte rechts vom Haus und bauten sich in einem unregelmäßigen Halbkreis hinter Golzer auf.
    » Die Bombe?« Golzer stieß ein ungläubiges Lachen aus. Dann wandte er sich zu seinen Männern um. » Habt ihr das gehört? Da sprengt irgendein Kamelficker eine unserer U-Bahnen in die Luft, und dieser Witzbold kommt auf die Idee, dass einer von uns damit zu tun haben könnte!«
    Seine Männer fanden das offenbar überhaupt nicht komisch, denn statt zu lachen, starrten sie Faris nur noch finsterer an. Er spürte eine Bewegung hinter seinem Rücken und warf einen Blick über die Schulter. Hinter ihm standen zwei weitere Männer.
    Er wurde gepackt, Hände schlossen sich hart um seine Oberarme. Er machte nicht einmal den Versuch, sich aus den Griffen zu befreien. Schlagartig ließ die Wirkung von Hesses Schmerztabletten nach, und in seinem Kopf breitete sich ein dumpfer Druck aus.
    An Golzer vorbei drängte sich Michi nach vorne. » Soll ich ihm eine verpassen?«, fragte er begierig. Er wartete nicht lange ab, ob Golzer nickte, sondern rammte seine Faust in Faris’ Magengrube.
    Faris hatte den Hieb kommen sehen und die Bauchmuskeln angespannt. Dennoch wäre er vornübergeklappt, wenn die beiden anderen Glatzen ihn nicht gehalten hätten. Der Schmerz raste durch seine von der Explosion geprellten Rippen und hinauf in die Schulter. Er schnappte nach Luft.
    Verschwommen sah er, wie Michi zum zweiten Mal ausholte.
    » Halt!«, sagte Golzer kühl.
    Der nächste Schlag blieb aus. Im Griff seiner beiden Bewacher richtete Faris sich wieder auf. » War das alles?«, fragte er mit flacher Stimme.
    Michi hob die Faust, aber nun trat Golzer vor und hielt seine Hand fest. Dann brachte Golzer sein Gesicht ganz dicht an das von Faris. » Soll ich dir mal was sagen?«, zischte er ihm zu. » Ich habe gerade ziemlich schlechte Laune, weil mein kleiner Bruder mich heute Morgen übelst beschimpft hat. Einen dreckigen Nazi hat er mich genannt, kannst du dir das vorstellen?« Herausfordernd starrte er Faris ins Gesicht.
    Dann schnaubte er böse. » Lasst ihn los!«, befahl er den beiden Wachhunden.
    Seine Kumpane zögerten.
    » Tut, was ich sage!« Golzers Stimme klang schneidend. Endlich gehorchten sie, und erleichtert stellte Faris fest, dass er stehen konnte, ohne zu schwanken.
    » Und nun?«, fragte er. » Was ist mit dem Bombenattentat?«
    Echte Empörung stand in Golzers Blick. Empörung, eines Bombenanschlags beschuldigt zu werden, den seiner Überzeugung nach ein Ausländer begangen haben musste.
    In diesem Moment wusste Faris sicher, dass der Neonazi nichts mit der Sache zu tun hatte.
    Golzer zeigte mit dem Kinn auf das Motorrad. » Hau ab!«
    Verblüfft runzelte Faris die Stirn. Das war das Letzte, was er erwartet hatte.
    » Hau ab!«, wiederholte Golzer. » Und schreib dir hinter die Ohren, dass meine Jungs nichts mit den feigen Anschlägen zu tun haben, die deine Kamelficker-Freunde auf unser Heimatland begehen.«
    Kamelficker. Ein sardonisches Lachen stieg in Faris’ Brust auf. Wenn du einmal ein brauchbares Wort gefunden hast, bleib dabei!
    Er unterdrückte das Lachen und starrte den Neonazi an. Golzers Blick bohrte sich in seinen, und einige Sekunden lang rangen sie stumm miteinander. Schließlich nickte Faris. » Stimmt«, meinte er ruhig. » Ihr habt nichts damit zu tun.« Er schluckte den Rest des Satzes hinunter.
    Weil ihr viel zu dämlich dazu seid.
    Es hätte auch nicht gestimmt. Golzer war alles andere als dämlich.
    Faris beschloss, Paul zu bitten, Golzer zu überprüfen.
    Er senkte das Kinn zu einem knappen Nicken. » Schönen Tag noch!«, sagte er. Dann wandte er sich ab. Als er zu dem Motorrad zurückging, rechnete er damit, dass ihn von hinten jemand anfiel. Aber nichts geschah. Golzer schien seine Truppe gut im Griff zu haben.
    Regungslos sahen die jungen Männer zu, wie Faris auf das Motorrad kletterte und die Maschine startete.

14. Kapitel
    Kurz hinter der

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