40 Stunden
er hatte Pech. Nicht Anisah meldete sich, sondern ihr Mann. » Chalid«, dröhnte seine tiefe Stimme.
» Samir, ich bin’s.«
» Faris, sag mal, was ist eigentlich los bei euch?«
Faris musste den Hörer vom Ohr nehmen, so laut redete er. » Wovon sprichst du?«
» Eben waren Kollegen von dir hier und haben uns eine Menge Fragen gestellt. Bist du irgendwie in Schwierigkeiten?« Aus seinen Worten sprachen Ärger und Missmut. Samir war kein gläubiger Muslim, aber er hatte dennoch Probleme mit Faris’ westlichem Lebenswandel. Er hatte mehr als einmal sehr deutlich gemacht, dass er es nicht besonders schätzte, dass Anisah Faris regelmäßig traf. Nicht, dass Anisah sich allerdings besonders darum kümmerte.
» Schwierigkeiten?«, hakte Faris verwundert nach.
» Sie haben uns verhört, wegen…«
» Moment!«, unterbrach Faris ihn. Hinter seiner Stirn rotierten die Gedanken. » Sag das nochmal! Sie haben euch verhört ? Bestimmt hast du dich getäuscht. Sie werden euch befragt…«
» Sie scheinen zu glauben, wir könnten irgendwas mit diesen Bombenanschlägen zu tun haben. Faris, das ist doch absurd!«
Faris knirschte mit den Zähnen, als ihm klar wurde, was geschehen war. Dr. Geiger hatte ihre Leute losgeschickt, um seinen Hintergrund durchleuchten zu lassen. Sie traute ihm noch immer nicht. Sie glaubte tatsächlich, er könnte etwas mit den Anschlägen zu tun haben. War es zu fassen?
» Samir, hör mir zu. Das ist reine Routine. Sie waren da, weil es möglich ist, dass der Bombenleger Kontakt mit euch aufnimmt.«
Samir schnaubte. » Bist du in Schwierigkeiten, oder nicht?« Es klang, als wüsste er die Antwort längst.
Und wie. Faris nickte. Laut jedoch sagte er: » Natürlich nicht! Aber du musst mir einen Gefallen tun, ja? Schaff Anisah und die Kinder aus der Stadt. Es kann sein, dass der Scheißkerl es auf sie abgesehen hat. Und nimm auch Umi und Abu mit.«
» Deine Eltern? Faris, du kannst einem wirklich Angst machen!«
Faris ging nicht darauf ein. » Kannst du auch Reza und Hasim Bescheid geben?« Reza und Hasim waren seine beiden Brüder. » Sie sollen auf sich aufpassen, oder besser noch, sie sollen mit euch die Stadt verlassen.«
» Wirklich, Faris, das ist…«
» Ich muss auflegen, Samir. Aber ich bitte dich: Tu, was ich sage. Ich erkläre euch alles später!«
» Okay. Du klingst müde, darum schenke ich es mir diesmal, darauf hinzuweisen, dass dein Job…«
» Es ist ein wirklich ziemlich beschissener Tag gewesen«, fiel Faris ihm ins Wort, bevor die übliche Litanei kommen würde. Warum bist du nur zur Polizei gegangen? Warum bringst du dich und deine Familie in Gefahr? Warum hast du nicht studiert, wie deine Brüder? Er spürte Pauls Blick auf sich ruhen. » Meine alte Handynummer ist im Moment nicht aktiv. Wenn ihr mich erreichen wollt, dann besser auf der Nummer, von der ich gerade anrufe. Ich melde mich, sobald es Entwarnung gibt.«
» Gut.« Samir zögerte. » Faris?«, begann er dann vorsichtig.
» Ja?«
» Ich will Anisah nicht noch einmal erzählen müssen, dass du fast in die Luft gesprengt worden wärest.«
Als Faris die Verbindung unterbrach, steckte ihm ein sardonisches Lachen in der Kehle. Er legte den Kopf gegen die Nackenstütze und schloss die Augen. Sein Schädel dröhnte, und wie aus weiter Ferne glaubte er Menschen zu hören, die vor Schmerz schrien.
Was ist das Schicksal der Menschen dort draußen, wenn du wieder versagst?, wisperte die verzerrte Stimme des Anrufers, und er hörte sich selbst antworten.
Zu sterben.
Das Wort hallte in seinem Kopf wider.
Sterben. Sterben. Sterben…
Wie die Menschen im Museum.
Und tschüss …
Er schluckte schwer. Dann riss er die Augen wieder auf, wählte noch einmal die Nummer von Laura, aber wieder ging nur die Mailbox dran. Fluchend legte Faris auf, zog stattdessen sein Smartphone aus der Tasche und starrte darauf.
Ruf an, Mistkerl!, dachte er. Sag mir, was du als Nächstes vorhast! Die Anspannung in ihm wuchs von Minute zu Minute.
» Alles in Ordnung?«, fragte Paul.
» Geiger hat meine Familie überprüfen lassen«, murmelte Faris. Er war so erschöpft, dass er nicht einmal richtig wütend darüber sein konnte.
» Diese blöde Kuh!«, brummte Paul. » Wie geht es dir?«
Faris sah ihn an, bevor er sagte: » Konzentrier dich auf die Straße!«
» Du mich auch!«, gab Paul zurück, schwieg jedoch für den Rest der Fahrt.
Die Passionskirche war ein Bau aus den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, der mit
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