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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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langsam darüberzieht. Vaters Blut fühlt sich warm an, als es über Alexanders Haut läuft.
    » So wir aber im Licht wandeln «, rezitiert Vater, » wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde. « Er wirkt verklärt. » Sing!«, befiehlt er. Der Schmerz zeichnet Linien um seinen Mund und seine Augen, aber er hält die blutende Hand ganz still.
    Und Alexander singt …
    » Was macht mich von Sünden rein?
    Nur das Blut des Lammes Jesu!
    Wo mag für mich Heilung sein?
    Nur im Blut des Lammes Jesu!
    O köstlich ist die Flut,
    macht allen Schaden gut.
    Hier meine Seele ruht,
    in dem Blut des Lammes Jesu.«
    Die Worte klangen dumpf in dem niedrigen gekachelten Raum. Der Mann am Kreuz hob den Kopf ein wenig. Das rhythmische Piepsen, an das Alexander sich inzwischen so sehr gewöhnt hatte, dass er es kaum noch wahrnahm, wurde kurzfristig schneller, doch als der Mann am Kreuz den Kopf erneut sinken ließ, beruhigte es sich wieder.
    » Mache ich es richtig?«, wollte Alexander wissen.
    JA , antwortete der Engel. Alexander hatte ihn nicht wiederkehren hören, er war plötzlich einfach da.
    UND DANN ?, fragte er.
    Alexander wusste nicht, worauf er hinauswollte.
    DANN KAM DAS GARTENHAUS , sagte der Engel.
    ***
    Nachdem Ira den beiden Polizisten Alexanders Namen genannt hatte, rief der jüngere von beiden, derjenige, der sich ihr als Kommissar Iskander vorgestellt hatte, bei seinen Kollegen an.
    » Gitta, ich bin’s.« Er drückte sein Handy ans Ohr. » Prüfst du mal eben, wo ein gewisser Alexander Ellwanger gemeldet ist?«
    Sein Gespräch mit der Frau am anderen Ende der Leitung gab Ira die Gelegenheit, ihn eingehender zu mustern und sich selbst zu fragen, was gerade mit ihr passierte. Sie fühlte sich wie unter Strom gesetzt– gleich der erste Blick, den sie mit diesem Mann gewechselt hatte, hatte sie getroffen wie ein Hieb. Sie konnte sich nicht so recht erklären, woran das lag.
    Eine Erinnerung flatterte durch ihren Kopf. Eine Erinnerung an Zeiten, als sie sich eingeredet hatte, mit Thomas noch glücklich zu sein. Damals hatte der Schatten des Kommenden bereits über ihnen gehangen, und Thomas hatte sich in makabre Scherze geflüchtet, um den Schmerz ertragen zu können.
    » Warum liebst du ausgerechnet mich?«, hatte er sie einmal gefragt. Sie hatten nebeneinander im Bett gelegen. Es war Sommer gewesen und brütend heiß, sodass sie sich nur mit einem dünnen Laken zugedeckt hatten. Durch den dünnen Stoff hindurch zeichneten sich ihre nackten Körper deutlich sichtbar ab.
    Sie tastete nach Thomas’ Hand, dann jedoch drehte sie sich auf die Seite und schaute in sein Gesicht. Für einen kurzen Moment wirkten seine Augen nicht ganz so traurig wie sonst. Sie beschloss, auf seinen belustigten Tonfall einzugehen. » Vielleicht, weil ich Masochistin bin?«, scherzte sie leichthin.
    An Thomas’ rechter Schläfe zuckte ein Muskel. » Glaube ich nicht.« Er hatte sich schon seit Minuten nicht gerührt, lag auf dem Rücken und starrte gegen die Decke.
    » Was glaubst du dann?« Sie stützte sich auf den Ellenbogen.
    » Ganz ehrlich?« Jetzt richtete er den Blick auf sie. Ihr Herz machte einen Satz.
    » Ja.«
    » Ich glaube, dass du auf kaputte Typen stehst.«
    Sie runzelte die Stirn. » Du hältst dich für einen kaputten Typen?«
    » Sieh mich doch an!« Er deutete an seinem nackten Körper herab, dann auf seine Kleidung, die achtlos hingeworfen auf einem Stuhl lag. Schwarze Hose, schwarzer Rollkragenpullover. Er trug selten einen Priesterkragen, denn er wusste, dass es Ira schmerzte, ihn damit zu sehen.
    » Unsinn!«, wehrte sie ab.
    Er lachte leise. » Du hast ein Mutter-Teresa-Syndrom, Ira Jenssen! Du stehst auf kaputte Typen, glaub es mir!«
    Danach hatte er sich über sie gebeugt und sie geküsst, und alle düsteren Gedanken und alle Zweifel darüber, ob es richtig war, was sie hier taten, waren in einer Woge aus Leidenschaft untergegangen.
    Faris’ Blick ruhte auf dem nachdenklichen Gesicht der Pfarrerin, und er fragte sich, woran sie wohl gerade dachte. Auf ihrer Stirn waren tiefe Falten erschienen.
    Gitta hatte den Hörer weggelegt, um die gewünschte Information über Alexander rauszusuchen. Während Faris darauf wartete, dass sie sich wieder meldete, sah er zu, wie Ira einige Fotoalben aus dem Regal nahm, sie auf den Couchtisch legte und begann, sie gemeinsam mit Paul durchzublättern. Als sie bemerkte, dass Faris sie

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