40 Stunden
nach dem Autoschlüssel in seiner Tasche. » Das ist aus einem Video, das vom Täter stammt. Sehen Sie die Elektroden auf Ellwangers Brust?«
Ira nickte. Ihre Augen hatten angefangen zu glitzern, und fasziniert sah Faris mit an, wie Mitgefühl ihre Miene flutete. Sie war mit Sicherheit eine gute Seelsorgerin, dachte er.
» Die Elektroden sind mit einem Herzmonitor verbunden, und wir haben Grund zu der Annahme, dass der mit einer Bombe gekoppelt ist, die während des Papstgottesdienstes hochgehen soll.«
Langsam hob Ira die rechte Hand und legte sie über den Mund. Sie blinzelte, und die Tränen waren fort. » Wer tut so was?«, wisperte sie.
Faris zögerte. » Unser Hauptverdächtiger ist Alexander.« Die Worte des Anrufers hallten in seinem Kopf nach.
Ich. Bin. Nicht. Alexander.
Und eine innere Stimme flüsterte ihm zu, dass das stimmte. Der Unbekannte war eindeutig wütend gewesen, dass sie ihn für Alexander hielten.
» Nein, das glaube ich nicht.« Energisch schüttelte Ira den Kopf. » Manchmal, wenn ich die beiden in der Kirche gesehen habe, habe ich mich gefragt, ob der Alte seinen Sohn misshandelt, aber Alexander ist nicht…«, sie verzog das Gesicht, als sei es ihr unangenehm, das Folgende auszusprechen, » …klug genug, um so was wie eine Bombenserie zu planen.«
Paul räusperte sich. » Nicht klug genug?«
» Er wirkt ein bisschen, nun, zurückgeblieben. Tut mir leid.« Ira zuckte die Achseln. Dann legte sie den Kopf schief, dachte nach. » Darf ich das Foto nochmal sehen?«, fragte sie. Sie hatte die Augen niedergeschlagen, und als Faris ihr das Handy reichte, zitterten ihre Hände.
» Ich kenne dieses Bild«, flüsterte sie.
» Was?« Verblüfft kam Paul näher.
Ira nickte heftig. » Kommen Sie! Ich muss Ihnen was zeigen.«
20. Kapitel
Der Innenraum des kreuzförmig angelegten Gotteshauses, in das Ira Faris und Paul führte, lag im Halbdunkel, wirkte aber durch die vielen Backsteinelemente der Bögen und Säulen auf gewisse Weise heimelig. Nicht zum ersten Mal fragte Faris sich, warum christliche Kirchen eine so düstere Atmosphäre ausstrahlten, wenn sie doch dafür gebaut waren, Gott nahe zu sein und ihn zu loben.
An unbequem aussehenden Kirchenbänken aus dunklem Holz vorbei ging Ira nach vorn zum Altar, der ebenfalls aus Backsteinen gemauert war. Sie musste nicht eigens darauf hinweisen, was sie ihnen zeigen wollte, Faris sah es sofort.
Links neben dem Altar, in einer Nische, hing ein Bild. Es schien modern zu sein, jedenfalls soweit Faris das beurteilen konnte. Es zeigte ein niedriges hölzernes Kreuz, daran einen Mann. Verkrümmt und schmerzhaft angespannt ragten die Finger in die Luft. Aber nicht das war es, was in Faris Wiedererkennen auslöste.
» Scheiße!«, hörte er Paul neben sich murmeln.
Und exakt das Gleiche dachte er auch. Die Dornenkrone, die der Gekreuzigte auf dem Bild trug, glich der auf Werner Ellwangers Kopf, ebenso der geschlungene Knoten des weißen Lendenschurzes. Ein Detail jedoch sah exakt so aus wie bei ihrem Opfer: Der Gekreuzigte war nicht nur mit Nägeln befestigt, sondern darüber hinaus mit zwei roten Seilen, die man ihm um die Oberarme gelegt und mit dem Querbalken verknotet hatte.
» Herr im Himmel!«, ächzte Paul bei diesem Anblick. » Der Täter imitiert die Kunst!«
Faris kratzte sich im Nacken. » Er stellt eindeutig dieses Bild nach.« Er wandte sich an Ira, aber bevor er eine Frage stellen konnte, begann sie bereits zu sprechen:
» Der Kirchenvorstand hat das Bild irgendwann um die Jahrtausendwende in Auftrag gegeben. Ich war damals noch nicht hier, aber aus Erzählungen weiß ich, dass es, als es geliefert wurde, ziemlichen Streit darüber gab, ob man es aufhängen sollte oder nicht.«
» Wegen der Seile, vermute ich.« Paul machte ein Foto von dem Bild, während er sprach.
» Genau.« Ira wies auf die Seile. » Man war der Meinung, dass der Künstler sich nicht solche Freiheiten erlauben darf. Von Seilen ist ja in der Bibel keine Rede.« Sie lächelte schmal. » Der Künstler hat sich am Ende durchgesetzt. Angeblich soll es eine hitzige theologische Diskussion gegeben haben, in der er sich auf die Geschichte vom ungläubigen Thomas aus dem Johannesevangelium berufen hat. Darin steht geschrieben, dass Christus Nägelmale in den Händen hatte. Und der Künstler war der Meinung, das, auch wenn von den Seilen nichts in der Bibel stünde, es nur eine Erklärung gäbe, warum der Evangelist Johannes an dieser Stelle nicht irrt.«
»
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