40 Stunden
Gelegenheit dafür, hat er gesagt.«
Faris schloss die Augen. Er wusste nicht, ob es nur Minuten oder doch eher Stunden gewesen waren, die vergingen, bis die Tür zu den Operationssälen aufschwang. Ein Arzt in grüner Kleidung trat heraus.
» Frau Sievers?«, fragte er.
» Ja?« Mit furchtsamer Miene erhob sich Christa.
Der Arzt richtete seinen Blick auf sie, und in diesem Augenblick wusste Faris es. Er stemmte sich auf die Füße.
Christa hingegen schaute den Arzt voller verzweifelter Hoffnung an. » Wie geht es ihm?«, wisperte sie.
» Er hatte großflächige Verbrennungen dritten und vierten Grades«, sagte der Arzt und fügte eine längere medizinische Erklärung hinzu. Viele unverständliche Worte für das, was er offensichtlich nicht auszusprechen wagte. Schließlich verstummte er. Er sah unglücklich aus.
Ratlos starrte Christa ihn an. » Und das heißt?«
Faris trat neben sie und machte sich bereit, sie zu stützen. Nur am Rande bemerkte er, dass die Tür zum Gang aufschwang und Tromsdorff hereinkam.
Der Arzt holte tief Luft. » Das heißt, dass wir nichts mehr für ihn tun konnten.«
» Aber wann wird er wieder gesund werden?«, rief Christa aus.
In diesem Moment hätte Faris am liebsten laut aufgeschrien, doch er versagte es sich. » Er ist tot, Christa«, sagte er leise. Die Erkenntnis, was seine Worte zu bedeuten hatten, traf ihn selbst mit Wucht.
» Nein!« Mit einem Ruck fuhr Christa zu ihm herum und stierte ihn aus wildem Gesicht an. » Sag so was nicht!« Plötzlich war ihre Stimme nicht mehr leise und wimmernd, sondern voller Aggression. » Er kann nicht tot sein!«
Zu gern hätte Faris ihr recht gegeben, hätte sie festgehalten, ihr gesagt, es würde alles wieder gut werden. Aber er konnte es nicht. Er konnte sie nicht anlügen. Er suchte den Blick des Arztes. Helfen Sie mir!, verlangte er wortlos von ihm, und endlich gab der Mann sich einen Ruck.
» Es stimmt leider«, sagte er unglücklich. » Wir konnten nichts mehr für Ihren Mann tun. Die Verletzungen waren zu schwer.«
Christas Reaktion war schlimmer als die Wut kurz zuvor. Faris sah, wie das Gehörte ihren Verstand erreichte, wie ihr klar wurde, dass sie Paul nie wiedersehen würde. Wie sie sich dagegen wehrte, es zu akzeptieren, und wie sie diesen Kampf schließlich verlor. Ihr Körper sackte mit einer Geschwindigkeit in sich zusammen, die fast unheimlich war. Ihre Haut wurde grau, ihre Lippen blass. » Nein!«, flüsterte sie. » Sag, dass es nicht wahr ist, Faris!«
Er schwieg. Es gab nichts, das ihre Qual gelindert hätte.
» Du hättest auf ihn aufpassen müssen!«, schrie sie plötzlich. Ihre Worte trafen ihn umso härter, weil er wusste, dass seine Schuld noch weitaus größer war: Die Bombe hatte ihm gegolten, Paul war an seiner Stelle gestorben!
Faris schluckte gegen den Schmerz in seiner Kehle an. » Christa! Ich…« Hilflos verstummte er.
» Ich lasse Sie dann besser einmal allein«, murmelte der Arzt. Er eilte in den OP zurück, die sich schließende Schwingtür schnitt das Geräusch seiner schnellen Schritte ab.
Christa hatte die Fäuste geballt, und Faris hoffte, sie würde damit auf ihn einschlagen. Doch sie tat es nicht. Alles, was sie tat, war, zu ihm aufzuschauen, mit diesen Augen, in denen nun wieder Tränen schwammen, und zu flüstern: » Warum bist du am Leben, und er…« Sie unterbrach sich, weil Tromsdorff nach ihrem Ellbogen griff.
» Komm«, sagte er nur. Mehr nicht. Seine Stimme war dünn wie Papier. Er führte Christa zu den Metallsitzen. Langsam sank sie darauf nieder. Auf der anderen Seite des Raumes schwang die Tür auf, und ein Mann und eine Frau kamen herein und steuerten direkt auf sie zu.
Ihre Schwester und deren Mann, vermutete Faris, und als er sah, wie die beiden sich um Christa kümmerten, wie sie sich rechts und links neben sie setzten, wie sie ihr die Arme um die Schultern legten und sie zu trösten versuchten, da kehrte das Gefühl der Einsamkeit zurück, das er erstmals an diesem Tag bei Niklas zu Hause empfunden hatte.
Er wich einen Schritt zurück, dann einen weiteren.
Und schließlich wandte er sich ab und ging. Tromsdorff folgte ihm.
23. Kapitel
Eingehüllt in die Dunkelheit der Nacht saß Ira draußen vor dem Eingang des Krankenhauses in ihrem Wagen. Nachdem sie sich vom Polizeirevier aus mit einem Taxi nach Hause hatte fahren lassen, war sie dort in ihr eigenes Auto gestiegen und hergekommen.
Sie hatte schon eine ganze Weile unschlüssig durch das heruntergekurbelte
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