40 Stunden
Fenster auf die beleuchtete Glastür des Krankenhauses gestarrt, als diese sich öffnete und Kommissar Iskander auftauchte. Sein Gang hatte nichts mehr von der Kraft, die sie noch vorhin bei ihm wahrgenommen hatte. Jetzt schien er zu Tode erschöpft.
Sein Chef war bei ihm. Kriminaloberrat Tromsdorff.
Die beiden bemerkten sie nicht. Unter dem Baum, der auf dem Rondell vor der Eingangstür wuchs, blieben sie stehen. Es sah aus, als habe eine überirdische Macht Faris mitten in der Bewegung angehalten. Minutenlang stand er völlig regungslos da, den Blick auf den Fußweg vor seinen Füßen geheftet, die Fäuste geballt. Tromsdorff an seiner Seite wirkte hilflos.
» Faris«, sagte er. » Rede mit mir.«
Mit einer sehr langsamen Bewegung hob Kommissar Iskander den Kopf, doch er schwieg. Das Licht der Straßenlaternen fiel fahl und kalt auf die beiden.
Ira wurde sich der Tatsache bewusst, dass sie lauschte. Sie kurbelte das offene Seitenfenster hoch. Kommissar Iskander– Faris, korrigierte sie sich in Gedanken– sagte etwas. Tromsdorff nickte ernst.
Eine Weile lang standen die beiden Männer sich gegenüber, und schließlich ließ Faris sich mit einer erschöpften Bewegung auf die kleine Bank unter dem Baum sinken. Er stützte die Ellenbogen auf die Knie und vergrub den Kopf in den Händen.
Tromsdorff redete auf ihn ein.
Ohne aufzusehen, schüttelte Faris den Kopf.
Tromsdorff sagte erneut etwas, und wieder schüttelte Faris den Kopf, energischer diesmal. Als er dann aufblickte, funkelten seine Augen zornig. Er hob eine Seite seiner Lederjacke an, sodass darunter kurz der Griff einer Waffe aufblitzte.
Sein Chef streckte fordernd die Hand danach aus, und während er das tat, kurbelte Ira die Seitenscheibe ihres Wagens wieder herunter. Sie musste einfach wissen, worum es ging.
Zum dritten Mal schüttelte Faris den Kopf. » Du hast sie mir wiedergegeben«, hörte Ira ihn sagen. » Du wusstest, was das bedeutet.«
» Zur Hölle, Faris!« Hilflos warf Tromsdorff die Armein die Luft. » Ich mache mir doch nur Sorgen um dich!«
» Musst du nicht. Kümmere dich lieber um den Fall.«
» Was ist mit dir?«
Faris ließ den Kopf zwischen den Knien hängen, als sei ihm plötzlich schlecht geworden. Ira konnte die Anspannung sehen, die seinen Nacken und die Linie seines Kiefers hart machte. Gleich würde er explodieren, dachte sie und erschrak angesichts des Bildes. Doch Faris explodierte nicht. Im Gegenteil.
Mit noch immer leiser und völlig ausdrucksloser Stimme sagte er: » Ich kann nicht mehr, Robert. Ihr müsst euch den Mistkerl schnappen. Mich hat er am Boden.«
Der letzte Satz sandte einen überraschend scharfen Schmerz durch Iras Brust.
» Wenn er anruft, und du hast dir eine Kugel…« Tromsdorff unterbrach sich, als Faris mit einem zornigen Ruck die Hand in die Höhe riss. » Schon gut«, fuhr er versöhnlicher fort.
» Er wird nicht mehr anrufen«, sagte Faris. » Er hat die Laube in die Luft gejagt, nachdem er mich dort geortet hat. Er hält mich für tot.« Er griff in seine Jackentasche und holte ein Smartphone hervor. Mit einer unendlich müden Geste reichte er es Tromsdorff. » Ich habe es ausgeschaltet, nachdem Paul…«
In Tromsdorffs Miene arbeitete es. Er wollte etwas sagen, aber dann entschied er sich dagegen. Er nahm das Smartphone, blickte darauf– und schaltete es wieder ein. Dann gab er es Faris zurück. » Nimm dir ein Taxi, fahr nach Hause und versuch, ein bisschen zu schlafen. Es war ein verdammt langer Tag! Aber bitte lass das Handy an. Kann sein, dass der Kerl sich nicht wieder meldet, aber ich will nichts riskieren.«
Faris atmete einmal tief durch. Seine Lippen wurden bleich dabei, als schmerzte ihn die Bewegung seines Brustkorbes. » Klar.« Er schaute zu seinem Chef auf. » Schnappt euch den Scheißkerl!«, flüsterte er heiser.
Tromsdorff wollte ihm eine Hand auf die Schulter legen, doch er zögerte und ließ sie dann sinken.
Ira meinte Faris’ Einsamkeit sehen zu können, wie eine düstere Aura, die ihn einhüllte.
» Kommst du klar?«, fragte Tromsdorff. » Ich kann Anisah anrufen…«
» Nein. Schon gut.« Faris stemmte sich in die Höhe. Sein Blick begegnete dem von Tromsdorff. Sein Chef musterte ihn lange, endlich nickte er.
» Ruf mich an, wenn was ist!«
Faris schwieg.
» Faris! Hast du gehört?«
» Ja.« Mit beiden Händen fuhr Faris sich über das Gesicht.
Tromsdorff wollte sich schon abwenden, als Faris die Waffe aus dem Holster zog und sie seinem Chef auf
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