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40 Stunden

40 Stunden

Titel: 40 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Lange
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verwandelt. Alles, was sie jetzt noch hatten, waren Faris’ und Marcs Erinnerungen an das Innere des kleinen Gebäudes.
    » Marc ist zwischendurch kurz rausgegangen«, sagte er. » Ich bin also nicht sicher, ob er das weiß: Wir haben eine Metallkiste gefunden, die vermutlich die Bombe enthielt. Aber darüber hinaus war in der Laube auch ein ganzer Karton mit diesen Leuchtstäben, die sie an die Kirchentagsbesucher verkaufen.«
    » Hmhm.« Vermutlich machte Gitta sich eine Notiz. » Gebe ich weiter. Gut. Noch was?«
    Faris’ Schädeldecke fühlte sich an, als drücke von innen ein mit brennbarem Gas gefüllter Ballon dagegen, der kurz davor war, in Flammen aufzugehen. » Nicht dass ich wüsste. Aber ich melde mich sofort, wenn mir was einfällt.«
    » Ach übrigens, die Pfarrerin haben wir inzwischen nach Hause geschickt. Sie wusste nicht mehr viel, was uns weiterhelfen konnte.«
    » Danke, Gitta.«
    » Sie hat mitbekommen, was geschehen ist, Faris. Würde mich nicht wundern, wenn sie bei dir im Krankenhaus auftaucht.«
    Faris nickte stumm und lauschte in sich hinein, ob das eine gute oder eine schlechte Nachricht war. Ira Jenssen war eine Zeugin. Jemand Externes. Ihre Anwesenheit würde ihn davon abhalten zusammenzubrechen. Alles, was ihn im Moment am Zusammenbrechen hinderte, war vermutlich gut.
    » Danke, Gitta«, murmelte er nochmal. » Bis bald.«
    » Bis bald, Faris.«
    Die Operationssäle des Krankenhauses lagen direkt neben der Notaufnahme. Die Gänge davor wirkten mit ihrer gelben Raufasertapete genauso trostlos wie wahrscheinlich Hunderte andere überall im Land. Es gab nur wenige Sitzgelegenheiten. Eine davon stand unter einem modernen Bronzerelief, das eine Figur zeigte, die in Faris’ Augen wie ein überforderter Schutzengel aussah.
    Ein älteres Ehepaar saß darauf und hielt sich gegenseitig an den Händen. Faris nickte ihnen stumm zu, dann erst bemerkte er die Frau, die in einer Nische saß und ein Taschentuch knetete.
    » Faris!« Die Frau sprang auf und stürzte auf ihn zu wie eine Ertrinkende. Er musste sie auffangen. Schluchzend lehnte sie sich gegen seine Brust, und er umfing ihre schmalen Schultern.
    » Christa.« Seine Lippen waren taub, und die Schuldgefühle schlugen über ihm zusammen wie eine Woge, in der er unterzugehen drohte. Himmel, er war derjenige gewesen, der darauf bestanden hatte, dass Tromsdorff Paul mit zu der Laube fahren ließ! Und mehr noch: Der Anrufer hatte sein Smartphone geortet und daraufhin die Laube in die Luft gejagt. » Ich hätte bei ihm sein müssen! Ich sollte jetzt dort drinnen…«
    » Scht!« Sie machte sich aus seiner Umarmung los. » Rede keinen Unsinn!« Ihre Augen waren sehr weit und sehr rot, aber sie schluchzte nun nicht mehr. Zitternd holte sie Luft.
    » Weißt du schon was Genau…«, setzte er an.
    Sie schüttelte den Kopf, schnitt ihm das Wort ab. » Nein. Sie operieren noch. Ein Arzt war hier und sagte mir, dass er Verbrennungen dritten und vierten Grades hat.« Ihre Stimme schwankte. » Es sieht nicht gut aus, Faris.«
    Faris legte ihr den Arm um die Schultern und schob sie auf einen der Sitze in der Nische. Er selbst hockte sich neben sie, vorn auf die Kante des unbequemen Möbels aus Stahlgeflecht.
    » Ich habe immer gewusst, dass das mal passieren kann«, flüsterte Christa. » Ich wusste es, als ich Paul geheiratet habe, aber ich wollte es nie wahrhaben.« Sie blinzelte, dann wandte sie ihren Kopf und sah Faris an. Sie war so blass, dass er das feine Geflecht aus blauen Adern an ihren Wangen erkennen konnte. » Warum nur fühlen wir uns so unverwundbar? Weißt du, was das Letzte war, was ich heute Morgen zu ihm gesagt habe?«
    » Noch ist er nicht tot, Christa«, sagte Faris sehr leise. Sie schien ihn gar nicht wahrzunehmen.
    » Gemeckert habe ich! Weil ich wieder mal seinen Schlüssel suchen musste.« Sie hielt inne, lauschte auf etwas, das nur sie hörte.
    » Hast du jemandem Bescheid gegeben?«, fragte er. » Jemandem, der sich um dich kümmert?«
    Sie nickte mechanisch. » Meine Schwester kommt gleich.«
    » Gut.« Faris konzentrierte sich auf das Pochen des Blutes in seinen Ohren.
    » Wir haben unseren Urlaub verschoben«, redete Christa weiter, und plötzlich liefen ihr Tränen über die Wangen. » Wusstest du das? Ich war ziemlich wütend, aber Paul hat gesagt, dass wir doch genauso gut vier Wochen später fahren können.« Sie gab einen Laut von sich, der an das Wimmern eines kleinen Kindes erinnerte. » Wir haben doch noch so oft

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