41 - Scorpio in Flammen
drüben ...« Sie zeigte nach Westen. »... liegt Sinnalix.«
Das frühe Morgenlicht der Sonnen füllte den Himmel apfelgrün und pfirsichrot. Der Wind wehte so frisch wie die sprudelnden Sauerstoffblasen eines Flusses im Frühling. Es war ein Tag, wie geschaffen dazu, auf Kregen große Taten zu vollbringen.
»Sinnalix«, sagte ich und wiederholte absichtlich den Namen ihrer Heimat. »Du bist eine Kregoinya. Ich glaube, die Everoinye hätten nichts einzuwenden, wenn du deinem Zuhause einen Besuch abstattest. Nachdem wir alles erledigt haben.«
»Oh, ich leide nicht an Heimweh, Fambly!«
»Dann will ich nichts gesagt haben. Komm, Hühnchen, Frühstück!«
Während wir über das sich unter uns erstreckende Grasland flogen – die Wüste lag weit hinter, die Dschungel vor uns –, nahmen wir das erste Frühstück ein. Hinter einer Leinwandplane konnte man sich frischmachen; ich hatte nur die Verwendung von feuchten Tüchern gestattet – es kam nicht in Frage, daß jemand einen Krug Wasser über sich entleerte. Llodi behielt den Wasservorrat im Auge. Er hatte eine Strangdja aufgetrieben, und kein vernünftiger Mensch, der diese stählerne, heimtückische, stechpalmenblattförmige Spitze sah, würde den Versuch wagen, mehr als die ihm zustehende Wasserration zu beanspruchen.
Etwas beschäftigte Mevancy.
Ich war unnatürlich ruhig geworden. Wir flogen so schnell wie möglich. Wir würden den abgestürzten Voller erreichen, wenn es soweit war. Erst dann würde ich den wahren Ernst der Situation erfahren, denn Deb-Lu hatte sich, vermutlich zu Recht, nicht erneut gemeldet.
Ich kaute die letzten meiner Handvoll Palines und genoß die gelben Beeren, wie jeder Bewohner Kregens. Mevancy saß am Rand des fliegenden Floßes und ließ die Beine baumeln. Sie schaute nach Westen, und ich stellte mich neben sie.
»Wenn du hinunterfällst, Hühnchen«, sagte ich, »werde ich nicht anhalten, um dich wieder aufzusammeln.«
»Sie bedeutet dir also soviel?«
Ich war verblüfft.
»Die Dame, von der du erzählt hast«, sprach Mevancy leise weiter.
»Ja.«
Mevancy hob die Schultern und ließ sie dann wieder hängen. Sie hatte einen Arm um einen Relingpfosten gelegt. Sollte sie ihn loslassen und versuchen, etwas Unüberlegtes zu tun, würde ich sie vorher festhalten.
Die Vorstellung war so ungeheuerlich, daß mir meine Probleme plötzlich unbedeutend vorkamen. Mevancy hatte geglaubt, in Leotes verliebt zu sein, doch nun wußte sie, daß dies nicht der Wahrheit entsprochen hatte. Ich war auf die verrückte Idee gekommen, sie und Kuong sollten es einmal miteinander versuchen. Man konnte Mevancy durchaus zu den Apim rechnen, auch wenn sie zu einer etwas anderen Art gehörte und ihre Unterarme mit Depots bedeckt waren, deren Pfeile das Gesicht eines Mannes zu zerfetzen vermochten. Sie war eine Abart, eine Mutation, und in ihrem Land einzigartig. Kuong war ein Apim. Sie würden gut zueinander passen.
Doch das war etwas, das ich ihr nicht sagen konnte.
Als Deb-Lu auftauchte, um uns zu führen, zeigte er sich in einer lupalen Projektion. Man konnte nicht durch seinen Körper hindurchsehen. Weder seine Gestalt noch sein Kopf verströmten einen blauen Schein. Er stand auf den Baumstämmen und lächelte mich an, wie immer – und der verdammte Turban rutschte ihm fast aufs Ohr, bevor er ihn geraderückte.
»Jak! Du hast dich sehr beeilt.«
In Erinnerung an alte und gefahrvolle Zeiten gemeinsamer Abenteuer nannte er mich oft Jak. Er kannte auch meine Vorliebe für Decknamen. Rollo kam und war sehr höflich. Einige von Kuongs Leuten nahmen so weit Abstand von dem Zauberer, wie sie nur konnten. Es gab kein unpassendes Gemurre. Die Existenz von Zauberern ist auf Kregen eine Tatsache.
Mevancy und Kuong standen schweigend daneben, als ich sagte: »Deb-Lu, wärst du vielleicht so nett und würdest Rollo unseren Kurs mitteilen?«
Rollo widmete mir einen anzüglichen Blick. »Du erlaubst, daß ich fliege?«
»Mach weiter!«
Ich unterband weitere Gespräche, indem ich zum Bug trat und mich auf einen hervorstehenden Stamm legte. Ich klammerte mich daran wie ein Affenjunges an die Mutter, wenn sie sich durch den Wald schwingt. Ich sah in die Tiefe.
Dort unten standen Bäume. Es waren keine Brellambäume. Der Duft des Dschungels stieg in der heißen Luft herauf, und mir drang ein würziger Geruch in die Nase. Es war ein Gefühl, als bade man mit dem ganzen Körper in exotischem Parfüm. Die Bäume standen eng beieinander und bedeckten große
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