41 - Unter heisser Sonne
gehörte?“
„Zu den Uëlad Mahad.“
„Alle Wetter!“ rief ich überrascht aus. „Nannte er seinen Namen?“
„Ja; er hieß Ben Nefad.“
„Aha! Meine Vermutung!“
„Wie? Was? Sie haben eine Vermutung?“
„Ja.“
„Welche, Monsieur?“
„Sagen Sie mir zunächst, ob Sie wissen, was das Wort Mahad bedeutet.“
„Das weiß ich nicht.“
„Und Nefad?“
„Auch nicht. Es sind eben Namen, bei denen man sich nichts zu denken braucht.“
„O nein. Diese Worte haben ihre Bedeutung. Mahad heißt ‚niemand‘ und Nefad bedeutet ‚das Gelingen‘.“
„Ich denke, niemand heißt la ahad, und das Gelingen heißt negah!“
„Provinzialismus, Monsieur. Diese Leute wählen in solchen Fällen von zwei gleichbedeutenden Ausdrücken den weniger gebräuchlichen aus. Uëlad Mahad bedeutet ‚niemandes Stamm‘, gibt es also nicht; der Mann hat Sie getäuscht. Und Ben Nefad heißt ‚Sohn des Gelingens‘. Das sagt genug. Er hat seinen Stamm verschwiegen und ist auf ein Unternehmen ausgeritten, dessen gewünschten Ausgang er nach hiesiger Sitte mit dem dabei angenommenen Namen bezeichnet.“
„Ah, so ist es! Endlich, endlich doch wenigstens ein Schein, wenn auch nur ein ganz leiser Schein der Möglichkeit, zum Ziel zu kommen! Darum also wurde überall gelächelt, wenn ich nach dem Aufenthalt der Uëlad Mahad fragte!“
„Sie sprechen von einem leisen Schein, Monsieur. Wie nun, wenn ich Ihnen mehr als das, wenn ich Ihnen ein helles Licht geben könnte?“
Da fragte er schnell, in freudiger Bestürzung: „Können Sie das, Monsieur, können Sie das?“
„Ja.“
„Mein Gott, wenn das möglich wäre! Aber es muß möglich sein, denn Sie sind Kara Ben Nemsi Effendi, und als ich dies vorhin entdeckte, war es mir sofort gewiß, daß ich an den richtigen Mann gekommen sei. Was denken Sie, Monsieur, was denken Sie?“
„Ihr Knabe Armand ist in Kaïrwan.“
„In Kaïrwan? Meinen Sie?“
„Ich meine es nicht nur, sondern ich möchte sogar darauf schwören, wenn ich überhaupt die Gewohnheit zu schwören hätte.“
„Was soll er aber in Kaïrwan?“
„Seinem Räuber zur Seligkeit verhelfen.“
„Zur Seligkeit? Wie das?“
„Zufälligerweise kenne ich das. Ich bin nämlich schon einmal in Kaïrwan gewesen, welches kein Christ betreten darf, wenn er nicht sein Leben verlieren will, und damals nur mit Mühe dem Tod entgangen. Der Kommandant der dortigen Militärtruppe hielt mich für einen Mohammedaner, für einen Offizier, und sprach sehr viel über die dortigen Verhältnisse zu mir. Kaïrwan ist selbst eine heilige Pilgerstadt und liegt weit von Mekka entfernt, wohin jeder Moslem wenigstens einmal im Leben pilgern soll. Wer dies nicht tun kann, erkauft sich seine Seligkeit, das Paradies Mohammeds dadurch, daß er dem Islam die Seele eines Kindes ungläubiger Eltern zuführt. Haben Sie noch nicht gehört, wie viele Knaben zum Beispiel von Juden verschwinden, wieviel Knaben den Bewohnern der nördlichen Sahara geraubt werden?“
„Nein.“
„Diese Knaben kommen in die Schule der berühmten Okba-Moschee, wo sie im Islam unterrichtet und meist zu Moscheedienern ausgebildet werden. Jeder, der dieser Schule einen solchen Knaben bringt, hat Allah eine verlorene Seele geschenkt und dafür die seinige gerettet.“
„Und Sie denken – Sie denken, daß mein Armand auch dorthin geschafft worden ist?“
„Ich bin sogar überzeugt davon.“
„Haben Sie einen gewissen Anhalt dazu?“
„Ja. Es hat sich da der Brauch eingebürgert, daß jeder, der auf einen solchen Knabenraub ausgeht, natürlich seinen eigentlichen Namen und seinen Stamm verschweigt, sich Ben Nefad, der ‚Sohn des Gelingens‘, nennt und angibt, daß er zum Stamme Uëlad Mahad, zum Stamme Niemand, gehöre. Da dies bei Ihrem Sohn ganz wörtlich auch der Fall gewesen ist, so bin ich überzeugt, daß er sich bei der Okba-Moschee von Kaïrwan befindet.“
Da ergriff der Händler meine beiden Hände und rief entzückt aus: „Monsieur, ich danke Ihnen, ich danke Ihnen von ganzem Herzen! Das ist allerdings kein leiser Schein, sondern eine helle Sonne, die Sie mir da geben. Ja, Sie waren der richtige Mann. Ich muß nach Kaïrwan, sofort nach Kaïrwan!“
„Sachte, sachte, Monsieur! Das geht nicht so, wie Sie meinen. Sie haben keine Ahnung von der Gefahr, in welche Sie sich begeben!“
„Oh, ich weiß, daß ich mein Leben wage; aber ich tue es, ich tue es gern!“
„Sie werden Ihren Sohn doch nicht
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