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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zufrieden, und verzweifeln Sie nicht. Für den schlimmsten Fall habe ich meine Revolver. Zwölf Schüsse sind etwas wert, wenn sie im richtigen Augenblick fallen.“
    Er setzte sich nieder, ließ den Knaben, der ihn nach zwei Jahren wiedererkannt hatte, nicht von seinem Herzen und sprach in den zärtlichsten Tönen auf ihn ein. Da wurde die Tür geöffnet. Draußen stand der, auf den ich hoffte.
    „Kommt!“ sagte er.
    „Wohin?“ fragte ich.
    „Du wirst es erfahren. Schnell, schnell!“
    Wir gingen hinaus. Er schob den schweren Riegel wieder vor und führte uns durch mehrere dunkle, leere Gänge und Gewölbe, bis wir plötzlich im Freien standen. Kein Mensch war zu sehen.
    „Effendi, wo habt ihr euer Quartier?“ fragte er.
    „Wir haben keines. Wir waren erst angekommen.“
    „Eure Pferde?“
    „Draußen vor der Stadt.“
    „So geht; aber eilt nicht wie Fliehende, sondern lauft langsam wie Leute, welche gerechte Sache haben. Ihr habt Zeit. Der Oberste der Moschee war nicht zu finden. Aber wage nicht zum drittenmal, nach Kaïrwan zu kommen, denn ich könnte dich wahrscheinlich nicht so leicht retten, wie heut.“
    „Warum läßt du uns überhaupt entkommen?“
    „Aus Dankbarkeit, Effendi.“
    „Du sagtest doch in Kairo zu mir, daß wir quitt seien!“
    „Damals dachte ich es. Dann aber las ich das heilige Buch der Christen, welches du mir geschenkt hast, und je mehr ich in demselben las, desto mehr sah ich ein, daß wir nicht quitt sind, sondern daß ich dir dieses Geschenk niemals vergelten kann. Es ist mehr, mehr wert als alles, was ich sonst habe; es ist – ist – ist sogar mehr wert als diese große, herrliche Moschee des heiligen Okba Ben Nafi, die du nun zum zweitenmal geschändet hast.“
    Da legte ich ihm die Hand auf die Achsel und fragte: „Schändest du sie nicht auch? Ja, schändest du sie nicht täglich und stündlich?“
    „Ich? Wieso?“ fragte er erstaunt.
    „Sie ist dir weniger wert als das Buch, welches ich dir gegeben habe. Du glaubst an das, was in diesem heiligen Buch steht; du bist also in deinem Herzen ein Ungläubiger, ein Giaur geworden und betrittst doch täglich die Moschee als Diener an derselben!“
    Er blickte vor sich nieder, hob dann die Augen zu mir, sah mir lange in das Gesicht, reichte mir die Hand und sagte: „Effendi, ich schweige; aber ich danke dir!“
    „Hast du die Deinen bei deiner Rückkehr gesund und wohl gefunden?“
    „Ja, Effendi. Ich habe ihnen von dir erzählt und daß sie mich ohne deine Güte nie wiedergesehen hätten. Ich lese ihnen täglich aus deinem heiligen Buch vor, und ihnen ist, so wie mir, Jesus, der Sohn Gottes, lieber, tausendmal lieber geworden als Mohammed, der Menschensohn. Nun aber geht, und kommt niemals wieder!“
    „Höre“, lächelte ich ihn an; „o sag mir einmal aufrichtig, ob du mich nicht auch zum dritten Male retten würdest, wenn ich wiederkäme!“
    „Effendi, du bist mein Wohltäter und ein Christ; ja, ich würde dich wieder retten, denn – – – wir sind noch lange, lange nicht quitt; ich kann meine Schuld gegen dich niemals abtragen. Lebt wohl!“
    Er wandte sich zurück und verschwand hinter der Tür. Wir spazierten langsam zur Stadt hinaus und gelangten glücklich zu unseren Pferden. Wie unerwartet schnell war das gegangen! Und mit welchen ganz anderen Gefühlen ritt Girard nun nach Norden als er vorher nach Kaïrwan geritten war!
    In Hammamet trafen wir ein Schiff, mit welchem wir nach Tunis fuhren.
    Das Entzücken der Mutter beim Wiedersehen ihres entführten Kindes ist nicht zu beschreiben!

Schamah
    Erster Teil: Im Harem
    Jeder Besucher meines Hauses sieht sich, sobald er den Flur desselben betritt, mitten unter fremdartigen Reiseerinnerungen, von denen ihm zunächst ein arabischer Sattel auffällt, den ich, wie man sich auszudrücken pflegt, als den eigentlichen ‚intellektuellen Urheber‘ der vorliegenden Erzählung zu bezeichnen habe. Er ist aus rotem, orientalischem Samt gefertigt und mit reichen Goldstickereien verziert, ein sogenannter ‚Paschasattel‘ mit bequemen Bügelschuhen und jener fürchterlichen Art von Kandare, mit der man den Widerstand selbst des stärksten Pferdes bezwingt.
    Zu diesem Sattel kam ich durch meinen Freund, den reichen, judarabischen Händler Mustafa Bustani in Jerusalem, dessen Geschäft im Suk el Bizâr liegt, rechter Hand, wenn man nach dem heutigen Haram esch Scherif geht, wo früher der Tempel des Salomo gestanden hat. Unter Judarabern sind diejenigen Araber

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