41 - Unter heisser Sonne
des Heiligen Landes zu verstehen, welche im Zusammenleben mit den Juden den überlieferten Haß gegen die Hebräer nach und nach aufgegeben haben und sich den streng alttestamentlichen Ansichten des ‚auserwählten Volkes Gottes‘ mehr zuneigen als dem Christentum. Ein Christ zu werden, ist bei diesen Leuten keine geringere Schande als der Übertritt zum Judentum. Doch betrifft dies nur die innere Anschauung; auf den Umgang, zumal den persönlichen oder gar geschäftlichen, hat diese Ansicht keinen Einfluß gehabt. So war ich Mustafa Bustanis Freund, trotz der religiösen Verschiedenheit, nur weil er mich gern hatte, und ich ihn auch. Ich kaufte, sooft ich in Jerusalem war, wenn möglich, nur bei ihm, doch bevorzugte ich ihn nicht nur als Kaufmann, sondern viel mehr noch als Mensch. Er wußte das und vergalt es mir durch eine derartige freundschaftliche Zuneigung, daß ich mich im Besitz seines ganzen Vertrauens fühlte. Darum kehrte ich oft auch dann in seinem Laden ein, wenn ich kein Bedürfnis zu kaufen hatte. Dann saßen wir stundenlang auf einer großen, breiten, mit einem Teppich belegten Kiste nebeneinander, tranken unaufhörlich Kaffee, welchen Bern, der Neger, bereitete, und unterhielten uns in einer Weise, als ob wir Brüder wären und keine Spur von Geheimnis voreinander zu haben brauchten. Dann waren es nur sehr vornehme Käufer, durch die er sich stören ließ; die gewöhnlichen fertigte der Gehilfe ab, auf den er sich ebenso wie auf sich selbst verlassen konnte. Dieser Gehilfe hieß Habakek, war ein höchst gutmütiger Mensch und einer jener Hexenmeister und Passelfritzen, die alles machen können, was ihre Augen sehen.
Mustafa Bustani war ein großer Märchenfreund. Am liebsten aber hörte oder erzählte er jene Art von Märchen, in denen der Wunderglaube oder der Zusammenhang zwischen Verstorbenen und Lebenden eine Rolle spielt. Doch war er keineswegs das, was man abergläubisch im gewöhnlichen Sinne nennt, sondern ein gebildeter Mann, der außer Arabisch auch noch Türkisch und Persisch sprach und sich mit Abendländern ganz leidlich französisch und englisch verständigen konnte. In Beziehung auf den Glauben zeigte er eine anerkennenswerte Duldsamkeit; früher aber schien das Gegenteil der Fall gewesen zu sein, denn er hatte einen Bruder gehabt, der von der Familie verstoßen worden war, weil er sich hatte taufen lassen, und Mustafa Bustani verheimlichte es nicht, daß er mit dieser Verstoßung damals vollständig einverstanden gewesen sei. Nun aber schien er hierüber doch anders zu denken. Ich erfuhr zwar weiter nichts, als daß dieser Bruder sich nach dem Ostjordanland gewandt und dort eine Christin geheiratet habe, weshalb dann alle seine Aussöhnungsversuche zurückgewiesen worden seien; hierauf war er verschollen; aber man weiß ja nur zu gut, daß Familienbande niemals ganz zerrissen werden können, und der ‚Harem‘ (Frauenwohnung; hier tropisch statt Frau) meines Freundes schien von weicheren Gesinnungen beseelt zu sein, denen er sich doch nicht hatte verschließen können.
Harem? Gewiß! Unsere gegenseitige Vertraulichkeit war nämlich so hoch gestiegen, daß wir uns nicht scheuten, ganz offen von seinem und meinem ‚Harem‘ zu sprechen, was dem Mohammedaner doch eigentlich verboten ist. Unter meinem Harem war natürlich nur meine Frau zu verstehen. Kinder habe ich nicht. Der seinige bestand auch nur aus einer Frau, einem elfjährigen Söhnchen und einer schwarzen Köchin. Die andere Dienerschaft wurde nicht zum Harem gerechnet. Der Sohn, welcher den kurzen, aber den bedeutungsvollen Namen Thar hatte, war, was man in Bayern einen ‚feschen Bub‘ zu nennen pflegt, also gar nicht so unfreudig phlegmatisch, langsam und überernst, wie orientalische Kinder hier bei uns beschrieben werden. Der Bub kam sehr oft aus der Wohnung, die nicht in der inneren Stadt lag, herein nach dem Laden, und wenn er mich traf, so wurde er nicht müde, mir durch die unglaublichsten Fragen meine sämtlichen heimatlichen Verhältnisse rund über den Haufen zu werfen. Ich erfuhr von ihm jede Neuigkeit aus dem Harem seines Vaters, jeden zerbrochenen Topf und jede gefangene Maus; dafür hielt er mich im höchsten Grad verpflichtet, ihm nun auch aus dem meinigen alle Geheimnisse zu berichten, und weh mir, wenn er einmal glaubte annehmen zu müssen, daß es mir in dieser Beziehung an Vertrauen zu ihm fehle!
Dieses freundschaftliche Verhältnis zwischen Vater, Sohn und mir hatte zur Folge, daß ich als Gast
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