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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geladen wurde und bei dieser Gelegenheit auch die Mutter zu sehen bekam. Das wiederholte sich. Ich brachte des öfteren ganze Abende im Hause Mustafa Bustanis zu und mußte, als ich mich nach meiner letzten Anwesenheit verabschiedete, versprechen, meine Frau mitzubringen, sobald ich wiederkomme.
    Nomen est omen (Der Name hat seine Vorbedeutung). Es war in der Familie Mustafa Bustanis seit Menschengedenken Brauch gewesen, daß immer ein Angehöriger Thar geheißen hatte. Das stammte aus ihrer nun längst verflossenen Nomadenzeit. Der jetzige Träger dieses Namens nun war der Bub, und er war Tag und Nacht bemüht, demselben soviel wie möglich Ehre zu machen. Thar heißt Vergeltung, Wiedervergeltung, Rache, Blutrache. Das ist das alte, fürchterliche Gesetz, welches die Forderung stellt: Blut um Blut, Auge um Auge, Zahn um Zahn! Das hatte im Altertum seine guten Gründe, mag sie bei gewissen wilden Völkern auch in der Gegenwart noch haben, ist aber unter zivilisierten Verhältnissen nicht nur verwerflich und sträflich, sondern einfach lächerlich. Der Bub aber befand sich, seit er auf die Bedeutung seines Namens aufmerksam geworden war, so ganz unter dem Einfluß der Vorstellung, die er sich davon machte, daß er immer auf eine Rache sann, und wenn es keine gab, so machte er sich eine. Alles, was er hörte, und was er sah, mußte ihm zur Konstruktion einer Wiedervergeltung dienen, doch fand er leider niemals die Anerkennung, die er erwartete. Das Schicksal verstand ihn falsch. Die Rache nahm zwar stets ihren köstlichen Verlauf, machte aber zum Schluß meist eine dumme Wendung und fiel auf die falsche Stelle, nämlich auf ihn selbst, und zwar dorthin, wo die Vergeltung am deutlichsten empfunden wird, ohne daß sie dem übrigen Körper schadet. Das hinderte ihn aber nicht, seinem Namen und seiner Bestimmung treu zu bleiben und immer wieder von neuem zu beginnen.
    Diesen notwendigen Bemerkungen füge ich hinzu, daß ich von Sumatra nach Ägypten gekommen war, um dort mit meiner Frau zusammenzutreffen. Ich hatte sie durch das Land der Pharaonen und durch die arabische Wüste geführt, und nun befanden wir uns im Gelobten Land. Wir waren tags zuvor von Jaffa nach Jerusalem gekommen, wollten einige Wochen bleiben, um Ausflüge in die Umgebung bis zum Toten Meer zu machen, und dann nach Damaskus gehen. Hierzu waren zwei Sättel nötig, ein Herren- und ein Damensattel, und da verstand es sich denn ganz von selbst, daß ich meinen Freund Mustafa Bustani aufsuchte, um diesen Bedarf bei keinem anderen als nur bei ihm zu decken. Meine Frau begleitete mich. Er und die Seinen waren ihr aus meinen Berichten fast ebensogut bekannt, wie mir selbst; er, der nach orientalischen Begriffen hochgebildete, edle Mann, der nur in der Erziehung seines Söhnchens auf falschem Wege ging; seine Frau als ein außerordentlich lebhaftes, liebes, gütiges Wesen, in der Vergötterung ihres Kindes mit dem Vater zusammentreffend, und endlich der Bub selbst, der die Eigenschaften der Eltern derart in sich vereinigte, daß er die heitere, scherzhafte Mutter sehr ernst und den ernsten Vater sehr spaßhaft nahm und darum fast immer in der Lage war, ihn und sie und alle Welt zu vexieren.
    Wir gingen durch das Jaffator nach dem Suk el Bizâr und fanden Mustafa Bustani anwesend. Er war damit beschäftigt, einen Kunden zu bedienen, der sich einen neuen Fez samt Turbantuch kaufen wollte, und sah und beachtete uns nicht sogleich. In der Mitte des Ladens stand ein Kamel, welches aber eigentlich Habakek, der Gehilfe, war. Er hatte sich auf alle Viere niedergelassen und war genau wie ein zu einem Festzug hergerichtetes Kamel geschmückt, nämlich die Kopfriemen mit Klingeln und Federbusch, die Vorderbeine mit Schellen behangen, die Seitenteile aus baumwollenen Netzen mit Glasperlentroddeln, und hinten herab ein ziegenlederner Wasserschlauch, damit man in der Wüste nicht zu verdursten brauche. Daneben stand Thar, der Bub, nur in das übliche blaue Hemd gekleidet, welches gerade bis zum Knie und bis zum Ellbogen reichte, das Gesicht, die Arme und die Beine dunkelbraun angepinselt. Er rief soeben, als wir kamen, dem in der Kaffee-Ecke kauernden Neger Bern die Worte zu: „Ich bin Beduinenscheik und füttere mein Kamel!“
    Dabei schob er dem Gehilfen eine Handvoll Lattichsalatblätter, die von den Händlern draußen weggeworfen, von ihm aufgelesen worden waren, in den gehorsam geöffneten Mund, und der kaute und verschlang das ‚Futter‘ in so lauter und

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