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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Augenblicks warteten, an welchem beide vor Erschöpfung zusammensinken und ihnen zur willkommenen Beute werden sollten.
    Der Wanderer war ein noch junger Mann von vielleicht sechsundzwanzig Jahren. Er trug die gewöhnliche Tracht der Präriejäger, ein ledernes, ausgefranstes Jagdhemd, ebensolche Leggins und Mokassins und auf dem Kopf einen Filzhut, dessen Farbe und Gestalt erraten ließen, daß sein Besitz schon seit geraumer Zeit nicht mit der Zivilisation in Berührung gekommen sei. Seine bleichen, erschöpften Züge, früher vielleicht geist- und lebensvoll, seine trüben, gläsernen Augen, seine blonden, wirr herniederhängenden Haare und die krampfhaft um die Büchse geballte Hand ließen erraten, daß er kaum mehr vermöge, den Entbehrungen und Anstrengungen des Rittes Widerstand zu leisten.
    Ebenso ermattet wie er war auch sein Pferd. Es war, das konnte man sofort erkennen, ein aus der Herde herausgefangener Mustang, vor wenigen Tagen jedenfalls noch voll Mut, Kraft und Ausdauer, jetzt aber gebrochen und bis auf den letzten Rest seiner Kräfte abgetrieben. Die Zunge hing ihm trocken zwischen den auseinanderklaffenden Zähnen hervor, die Augen schienen mit Blut unterlaufen, und nur mechanisch schleppte es sich Schritt um Schritt in dem tiefen Sand weiter.
    So war es schon seit Tagen gegangen. Er hatte mit einer Gesellschaft von Westmännern Santa Fé verlassen, um über das Ozarkgebirge Arkansas zu erreichen, war jedoch von einem Trupp Comanchen überfallen worden und dankte es nur der Vorzüglichkeit seines Pferdes, daß er als der Einzige ihnen entkommen war. Sie hatten ihn bis in die Steppe verfolgt, sonst hätte er sich sicherlich nicht ohne Begleitung in dieselbe gewagt; er kannte ihre Gefahren und hatte sie noch nie betreten, Grund genug, sich nur deshalb zu dem verzweifelten Ritt zu entschließen, weil hinter ihm der sichere Tod drohte.
    Schon seit gestern früh hatten die Stangen aufgehört, und er besaß keine anderen Wegweiser als den Kompaß und die Gestirne des Himmels. Seit drei Tagen war kein Tropfen Wasser über seine glühenden Lippen gekommen und mit einem trostlosen Blick beobachtete er die Geier, welche sich immer weiter niedersenkten, je langsamer und strauchelnder die Bewegungen seines erschöpften Pferdes wurden.
    Es stand endlich still und war nicht weiter fortzubringen; es zitterte an allen Gliedern und drohte, bei der ersten erzwungenen Anstrengung umzusinken.
    „Also bis hierher und – jedenfalls – nicht weiter!“ murmelte der Fremde in deutscher Sprache, an diesem Ort eine Seltenheit. „Gibt's denn keine Rettung für mich und dich, mein braves Tier?“
    Er suchte den Horizont vergebens nach einer rettenden Erscheinung ab und stand schon im Begriff, abzusteigen, als ihn das Verhalten des Pferdes aufmerksam werden ließ. Die schlaffen Nüstern hatten sich plötzlich erweitert und gespannt, und jetzt erhob sich auch der bisher gesenkte Kopf zu jenem bezeichnenden Schnauben, mit welchem das echte Präriepferd die Nähe eines feindlichen Wesens verrät.
    Der Wanderer zog sein Fernglas hervor, um den Gesichtskreis genauer abzusuchen, und bemerkte, daß die Geier ihn verlassen hatten und westwärts von ihm über einem Punkt schwebten, welcher sich langsam fortbewegte. Das mußte ein Mensch sein.
    „Gott sei Dank!“ seufzte er auf. „Das gibt vielleicht Hilfe. Komm, mein braves Tier, komm! Nimm dich noch einige Minuten zusammen, bis wir den Mann da drüben erreichen!“
    Er stieg ab, ergriff die Zügel und schleppte sich und das Pferd vorwärts, und zwar so, daß seine Richtung und diejenige des Mannes, den er gesehen hatte, in einem spitzen Winkel zusammentreffen mußten. Als er sich ihm näherte, erkannte er zu seinem Erstaunen, daß dieser Mann ein Fußgänger war. Dies Erstaunen war sehr gerechtfertigt, denn jeder Westmann weiß, daß ein Mensch in dem Llano estacado ohne Pferd verloren ist.
    Der andere erblickte ihn jetzt und blieb stehen, um ihn herankommen zu lassen. Er war unbewaffnet und hatte am Riemen einen Flaschenkürbis umhängen. Als sie sich einander genug genähert hatten, rief er dem Reiter entgegen:
    „Heigh-day, ist das ein Wunder und eine Freude, einen lebenden Menschen hier in dieser trostlosen Öde zu sehen! Aber sagt einmal, Sir, seid Ihr ein ehrlicher Mann, oder gehört Ihr zu den Kerls, die man hier noch mehr als anderswo zu meiden hat?“
    „Das Erstere, das Erstere! Ihr habt nichts zu besorgen. Ich habe mich verirrt und bin dem Verschmachten nahe.

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