41 - Unter heisser Sonne
Habt Ihr vielleicht Wasser in Eurem Kürbis?“
„Nur noch einen Schluck.“
„Gebt her, gebt her, sonst falle ich um!“
„Hm! Es geht mir fast ebenso, aber dennoch sollt Ihr den Schluck haben. Ihr habt ein ehrliches Gesicht. Da, nehmt!“
Er hielt ihm den Flaschenkürbis hin, und der andere sog begierig den geringen Rest bis auf den letzten Tropfen ein.
„Thank you!“ sagte der Reiter. „Nun habt aber Ihr nichts zu trinken.“
„Werden bald etwas bekommen, etwas, was hier außerordentlich selten ist.“ Dabei zeigte er nach einem kleinen Wölkchen, welches sich eben jetzt über den Horizont erhoben hatte. „Aber sagt, Sir, wer seid Ihr, und wie kommt Ihr nach dem gefährlichen Llano estacado?“
„Ich komme von Santa Fé, bin den Comanchen echappiert und wollte hinauf nach den Bergen, um über den Red River nach Arkansas zu gehen. Mein Name ist Richard Forster, und meine Heimat ist Frankfurt in Kentucky.“
„Richard Forster? – Frankfurt in Kentucky? – By god, Sir, dann sage ich Euch hundertfachen Dank für dies Zusammentreffen! Ihr seid der berühmte Mann, der die schönen Lieder macht, die weit über die Staaten hinaus gedruckt und gelesen werden?“
Der andere nickte lächelnd.
„Richtig geraten! Ich bin der Mann, der ‚Savannenbilder‘ dichten wollte und deshalb in die Prärie ging, um sich von den Coyoten beinahe auffressen zu lassen.“
Er stand jetzt gerade und aufrecht da, die Arme in die Hüften gestemmt, eine echte, rechte Kentuckygestalt. Die blonden Locken, lange Zeit ungepflegt, hingen ihm lang auf die breiten Schultern herab; die tiefblauen Augen glänzten wieder lebensvoll und die erst so bleichen, männlich schönen Züge begannen sich wieder zu röten.
„Oder von den Comanchen aufspießen und am Pfahl martern zu lassen. Auch ich bin vor kurzem ein Weniges mit ihnen zusammengekommen, Sir, und wurde von ihnen verfolgt bis in dieses verdammte Sandmeer, wo sie wieder umkehrten. Ich glaube, es war dieselbe Truppe, die auch Euch zwischen die Pfeile nahm.“
„Möglich! Aber nun will ich dieselbe Frage aussprechen, die Ihr mir vorhin vorlegtet.“
„Ihr? Sagt nur immer Du, Sir! Ich bin weder Präsident noch Gouverneur und mag von Ihr nichts hören. Wie ich heiße? Tim Summerland, so ist mein Name, seit ich lebe, und so wird er auch bleiben, bis ich meinen Skalp verliere, oder von irgendeinem Grizzly mit Haut und Haar verschlungen werde. Habt Ihr vielleicht von Bill Summerland gehört, dem Lawyer?“
„Meinst du den berühmten Advokaten Bill Summerland in Stenton, Arkansas?“
„Denselben. Er ist mein Bruder und zu ihm wollte ich. Ich hätte ihm eine verteufelt hübsche Ladung von Goldstaub und Nuggets mitgebracht, die ich droben am Canadian geholt hatte, aber die Pfahlmänner haben sie mir abgenommen.“
„Die Pfahlmänner?“
„Ja, die Pfahlmänner. Oder wißt Ihr noch nicht, welchen Schuften man diesen Namen gibt? Es gibt allerlei Gesindel, welches aus gewissen Gründen die Staaten verlassen mußte und hier sicher vor den Armen der Justiz zu sein scheint. Es zieht in verschiedenen Trupps umher, plündert, mordet, treibt allen möglichen Unfug und hat es ganz besonders auf die Voyageurs und Karawanen abgesehen, welche gezwungen sind, die Todessteppe zu durchreisen. Um diese irrezuführen, ziehen sie die Pfähle heraus und entfernen sie, oder stecken sie in falscher Richtung ein. Ist dann der Wanderer halb verschmachtet, so fallen sie über ihn her und – nun ja, jetzt wißt Ihr, warum man sie die Pfahlmänner nennt. Als wir die Spanisch-Piks und den Canadian verließen, waren wir über die zwanzig wohlbewehrten Westleute. Sie alle fielen unter den Tomahawks und Pfeilen der Comanchen, bis auf mich und noch zwei. Wir konnten uns nur durch den Llano estacado retten und hatten bereits das größere Stück derselben zurückgelegt, als die Pfähle aufzuhören begannen. Dies mahnte uns zur Vorsicht; aber trotz aller List und Achtsamkeit wurden wir überrumpelt. Es war mitten in der Nacht. Ich entkam im Dunkeln aus dem Handgemenge, aber so, wie Ihr mich hier seht, ohne Pferd und Waffen. Nur den Flaschenkürbis mit dem Wasser rettete ich. Aber der alte Tim Summerland wird schon wieder zu einer Büchse und einem Pferd kommen.“
Er hielt inne. Der Nomade des Westens ist meist ein schweigsamer Gesell, und Tim Summerland hatte die längste Rede seines Lebens gehalten. Der gute Mann sah nichts weniger als gentlemanlike aus; die Strapazen hatten seinen Körper und noch
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