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41 - Unter heisser Sonne

41 - Unter heisser Sonne

Titel: 41 - Unter heisser Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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worden.“
    „So tue ich es jetzt. Du sollst der Gast sein; ich bitte dich darum!“
    „Wessen Gast?“
    „Derjenige des ganzen Duars.“
    Das klang so schön, kam aber mir, der ich Erfahrung hatte, verdächtig vor. Der Gast des ganzen Dorfes? Damit war gar nichts gesagt; das durfte mir nicht genügen. Dann konnte, wenn ich der Hilfe bedurfte, mich einer an den anderen weisen, und keiner brauchte sich meiner wirklich anzunehmen. Ganz anders aber dann, wenn ich der Gast eines bestimmten Mannes war; dieser durfte mich nicht verleugnen, sondern er mußte sich auf alle Fälle und unter allen Umständen meiner annehmen. Dennoch tat ich, als ob ich erfreut über das Anerbieten des Tedetu sei. Ich wollte nicht schon im Augenblick meiner Ankunft ausgesprochenes Mißtrauen zeigen; es war jedenfalls später auch noch Zeit dazu. Es konnte mir nur zum Vorteil gereichen, wenn ich für unbefangener gehalten wurde, als ich war.
    Bekommen Wüstenbewohner den Besuch von Freunden oder Bekannten, so geht es, der Sitte gemäß, bei dem Willkommen sehr laut her. Man reitet ihnen entgegen und feuert Freudenschüsse ab. Das ist das sogenannten La'b el Barut oder Schießpulverspiel. Kommen aber Fremde, so verhält man sich ruhig, um sie nicht etwa zu erschrecken, da sie, die Unbekannten, das Schießen ernst und für ein feindseliges Verhalten nehmen könnten. Darum knallte keines der Gewehre, und es ertönte keine laute Stimme, als wir in das Lager einritten; aber alle Zelte und Hütten hatten sich geleert, und die Bewohner derselben, alt und jung, Männer und Frauen, Jünglinge, Mädchen und Kinder, drängten sich herbei, uns zu betrachten. In keinem Gesicht war ein feindlicher Zug zu bemerken; aber ich sah auch keine Spur von der Freude, von welcher der Tedetu gesprochen hatte.
    Dieser leitete uns nach der äußersten Zeltreihe, aus welchem Grund, das erkannte ich erst später. Die Männer, welche wir da erblickten, hatten ein ernstes, wortkarges Aussehen und waren, obgleich sie sich daheim und in Frieden befanden, bis an die Zähne bewaffnet. Die Frauen trugen keine Schleier; die Beduinin liebt es nicht, ihr Gesicht zu verhüllen; ihre Gesichter sahen welk und verlebt aus, denn das Weib der Wüste hat alle Arbeit allein auf dem Nacken und altert darum schnell. Aber unter den jungen Mädchen gab es einige, welche man mit Wohlgefallen betrachten konnte. Ihr Haar war mit bunten Bändern und Perlenschnüren in lange, hinten herabhängende Zöpfe geflochten; in ihren Ohren trugen sie schwere Ringe, an den Handgelenken mancherlei Spangen und über den Knöcheln kupferne Ringe, welche man sah, weil die Röcke oder Schalwars (Frauenhosen) nur dorthin reichten und die Füße unbekleidet waren. Schön, zierlich waren diese nackten Füße freilich nicht, sondern breit ausgetreten, und an mancher Zehe sah ich die mehr als deutlichen Spuren der Verwüstung, welche der böse Wüstenfloh anrichtet. Er gräbt sich unter die Fußnägel ein und läßt dort seine Brut zurück, welche bei der dadurch entstehenden, ebenso häßlichen wie schmerzhaften Zehengeschwulst nur dadurch entfernt werden kann, daß man sie mit dem Messer herausgräbt.
    Ich war von meinen früheren Reisen her gewöhnt, ein freundliches ‚Marhaba‘ (Willkommen) zu hören, doch fand sich hier kein Mund, der dieses Wort aussprach. Und doch sollte ich der Gast des ganzen Dorfes sein! Da hätten sie doch eigentlich alle ‚Marhaba‘ rufen müssen!
    Als der Tedetu sein Hedschihn niederknien ließ, um aus dem Sattel zu steigen, tat Ali dasselbe, und auch ich sprang von dem meinigen herab. Der erstere erteilte einen Befehl, den ich nicht verstand, weil er sich dabei der Tibbusprache und nicht des Arabischen bediente; aber ich sah sogleich, was er geboten hatte, denn es traten einige Männer herbei, um sich unserer Kamele zu bemächtigen. Ich wehrte ab und fragte:
    „Was wollen sie mit den Tieren?“
    „Zur Tränke schaffen“, antwortete Tahaf.
    „Das pflege ich stets selbst zu tun.“
    „Du selbst?“ fragte er verwundert. „Das ist doch nicht deiner hohen Würde gemäß!“
    „Es entspricht der Würde jedermanns, nicht nur gegen die Menschen gütig zu sein, sondern auch das Tier, welches ihm gehört, mit Aufmerksamkeit zu erfreuen.“
    „Aber er braucht trotzdem nicht selbst die Arbeit eines Knechtes zu verrichten!“
    „Soll ich deine freien Krieger für Knechte erklären, indem ich ihnen diese Arbeit auftrage? Das sei fern von mir! Wo ist der Brunnen? Wir werden unsere Tiere

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