41 - Unter heisser Sonne
mit der Pistole! Sobald du sie auf mich richtest, fahren dir zwei oder drei Kugeln in den Kopf! Ich werde dir beweisen, daß ein Musannif nicht bei den alten Weibern zu sitzen braucht, sondern auch ein tapferer Mann sein kann. Ich habe dich beleidigt, weil du vorher mich beleidigtest; wird sind also quitt. Ist dir das nicht recht, so bin ich sofort bereit, vom Kamel zu steigen und mit dir zu kämpfen, wie es sich unter Kriegern ziemt!“
Es ging eine ganz eigentümliche Bewegung über seine erregten Züge; dann steckte er die Pistole zurück und sagte in erzwungen ruhigem Ton:
„Wohlan, du hast recht. Wir haben uns gegenseitig beleidigt und sind nun quitt, weil du mein Gast sein sollst. Reiten wir weiter!“
Diese schnelle Beruhigung war eine nur scheinbare; ich ließ mich durch sie nicht täuschen und wußte genau, daß, selbst wenn er mir vorher freundlich gesinnt gewesen wäre, was aber gewiß nicht der Fall war, ich nun in ihm einen unversöhnlichen Feind erworben hatte. Am liebsten hätte ich mich von ihm getrennt; das ging aber nicht an, denn er ritt nach dem Wadi, wo wahrscheinlich seine Tibbu lagerten, und ich mußte auch hin, weil wir Wasser brauchten, welches mehrere Tagereisen weit an keinem anderen Ort zu finden war. Ich hegte die Überzeugung, daß wir einer großen Gefahr entgegengingen, doch hatte ich ganz und gar keine Lust, mich vor derselben zu fürchten.
Nach einiger Zeit sahen wir am Horizont erst die Kronen und dann die schlanken, hohen Schäfte von Dattelpalmen auftauchen; die bisher ganz ebene Gegend war hügelig geworden, freilich, was man dort Hügel zu nennen pflegt, und mehrere Zeltreihen standen im Schatten dieser Palmen oder zogen sich an den Hügeln hin. Es gab sogar eine bescheidene Anzahl von Erdhütten, welche wohl das eigentliche Dorf bildeten. Sie lagen am Rande des jetzt wasserleeren, ganz trockenen Wadi, dessen Grund und Wände aber an vielen Stellen so zerwühlt und zerrissen waren, daß ich annahm, es müsse zu gewissen Zeiten nicht nur Wasser, sondern sogar Hochflut in demselben geben.
Als wir vielleicht noch tausend Männerschritte von dem Dorf entfernt waren, trieb der Tedetu sein Hedschihn plötzlich mit dem Lenkstab in der Weise an, daß es im schnellsten Gang vorwärtsschoß.
„Effendi, der hat etwas vor!“ meinte Ali. „Wollen wir ihm nicht rasch nach?“
„Nein“, antwortete ich, indem ich im bisherigen Schritt weiterritt.
„Aber das, was er beabsichtigt, kann nichts Gutes sein! Er gefällt mir nicht. Du weißt, Allah hat mich mit großer Menschenkenntnis ausgestattet, und ich habe diesem Tahaf in die verborgensten Tiefen seines Herzens geblickt; es sieht ganz schwarz da unten aus, und er hat das Gesicht eines Abu Hossein (Fuchses), welcher beißen will. Warum bleibt er nicht bei uns? Warum reitet er fort? Jedenfalls nicht, um unseren wohlverdienten Ruhm zu verkünden und die uns gebührende Ehrerbietung für uns zu verlangen. Ich ersuche dich also dringend, unsere Kamele ihre Beine auch schneller schleudern zu lassen!“
„Das würde weder Zweck noch Erfolg haben.“
„O weh, Effendi, wie schwer fällt es dir doch, nachzudenken! Wo man einen Zweck hat, da gibt es auch einen Erfolg, und wo ein Erfolg da ist, da hat es stets auch einen Zweck vorher gegeben.“
„Hier kann weder von dem einen noch von dem anderen die Rede sein. Der Tedetu meint es entweder schlecht mit uns oder nicht; reiten wir ihm nach, so erreichen wir doch nichts weiter, als daß wir in ersterem Fall seine bösen Absichten doch nicht verhindern können und in letzterem Fall uns blamieren und ihn beleidigen.“
Jetzt hatte Tahaf das Dorf erreicht. Wir sahen, daß er auf die Bewohner desselben, die in den Zeltgassen standen, einsprach. Einige von ihnen entfernten sich; sie hatten jedenfalls Aufträge von ihm erhalten; er aber wendete sein Hedschihn um, kam uns entgegen und meldete mir, als er uns erreicht hatte:
„Ich bin vorangeeilt, um dein Nahen zu verkündigen. Der ganze Duar (Zeltdorf) ist voller Freude, einen Gast von deiner Wichtigkeit begrüßen zu dürfen.“
„Ich danke dir“, antwortete ich kühl. „Ich erbitte mir nichts, als die Erlaubnis, mir Wasser schöpfen und mich am Rand des Brunnens ausruhen zu dürfen. Ist dies geschehen, so werden wir weiterreiten.“
„Effendi, sind dir die Gesetze der Wüste unbekannt? Weißt du nicht, daß es eine todeswürdige Beleidigung ist, eine gastfreundliche Einladung zurückzuweisen?“
„Ich bin nicht eingeladen
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