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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gehörig einzurichten, und am Abend saßen die Freunde beisammen, um die spanischen Abenteuer ausführlicher zu besprechen, als es beim ersten Mal möglich gewesen war. Dabei fehlten Alimpo und Elvira, denn diese saßen im Vorzimmer der Gräfin, und bei ihnen war der kleine Kurt, der sehr schnell ein außerordentliches Wohlgefallen an den beiden gewonnen hatte. Er hatte bereits längere Zeit von dem Rheinswaldener Lehrer Unterricht im Französischen und Englischen erhalten und freute sich königlich, in der ersteren dieser Sprachen mit Alimpo und dessen Frau reden zu können.
    Man ging erst sehr spät schlafen und stand infolgedessen am anderen Morgen nicht sehr früh auf. Der Hauptmann war der erste, welcher auf dem Schloßhof erschien. Er fand Ludewig mit dem Füttern der Hunde beschäftigt und trat näher.
    „Eins – zwei – vier – sechs – sieben – acht Hunde“, zählte er. „Es fehlt ja einer!“
    Ludewig stellte sich in militärische Positur.
    „Herr Hauptmann es ist – ich – ich!“
    Es war ihm so himmelangst zumute, daß ihm der Satz im Mund steckenblieb.
    „Nun, was ist's“, fragte Rodenstein in strengem Ton.
    „Ich – es – – es fehlt einer!“
    „Das habe ich bereits gesehen! Welcher denn?“
    „Die Waldina.“
    „Wo ist sie?“
    „Sie ist – hm, sie ist – tot.“
    „Tot? Bist du gescheit!“
    „Ja, sie ist tot, Herr Hauptmann.“
    Die dicken Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn. Es war ihm, als ob er gerädert werden solle.
    „Tot? Donnerwetter! An was ist sie denn gestorben? Sie war ja gesund!“
    „Sie ist – sie hat –“
    „Nun, was hat sie denn? Hat sie sich etwa überfressen?“
    „Ja, das hat sie, Herr Hauptmann.“
    „Sapperlot! An was hat sie sich den überfressen?“
    Seine Stirn legte sich in drohende Falten, denn er glaubte, daß Ludewig ihn belügen wolle.
    „An – einer – an einer Kugel, Herr Hauptmann“, lautete die Antwort.
    Die Falten verzogen sich langsam wieder, und der Oberförster sagte:
    „Dummer Schnack! Ein Hund frißt doch keine Kugeln!“
    „So stirbt er an dem Gras, in das er beißen muß. Herr Hauptmann, ich bin ein Esel!“
    „Das merke ich bald!“
    „Ja, ein großer Ochse und Esel, vielleicht gar ein Rhinozeros! Denn die Kugel war von mir.“
    „Der Teufel mag dich verstehen! Rede doch deutlicher!“
    „Es will nicht heraus, aber es muß! Ich habe die Waldina gestern erschossen.“
    „Alle tausend Granaten! Warum denn? War sie vielleicht plötzlich toll geworden?“
    „Nein, sondern ich war toll, ich hatte die Hundswut; darum schoß ich auf den Hund anstatt auf den Fuchs. Der Teufel soll mich holen, wenn ich das begreife!“
    „Ja, der alte Jäger erschoß den Hund, und der kleine Junge erlegte unterdessen den Fuchs!“
    „So wissen Sie es schon, Herr Hauptmann? Ja, es war ein Sauschuß. Ich bin meiner Seele nichts anderes wert, als daß Sie mich aus dem Dienst jagen!“
    „Das wäre auch geschehen, Dummkopf, aber ich habe mein Ehrenwort gegeben, daß ich dich nicht einmal auszanken will.“
    „Ah! Wem haben Sie es gegeben, Herr Hauptmann?“
    „Dem Kurt.“
    „Dem Kurt? Alle Wetter, das ist doch ein braver Junge dahier! Das werde ich ihm nicht vergessen!“
    „Das hoffe ich auch. Er konnte sich etwas anderes erbitten, aber er dachte nur daran, dir den Denkzettel zu ersparen, den du verdient hattest. Wo ist die Waldina?“
    „Ich habe sie im Garten begraben, mit allen Ehren, Herr Hauptmann; sie war es wert dahier!“
    Rodenstein hätte den Jäger gern noch ein wenig geängstigt, wurde aber unterbrochen, denn es kam ein Wagen auf den Hof gefahren, und in demselben saßen – der Polizeikommissar und drei Gendarmen, welche ihre Gewehre bei sich trugen und sich auf den Transport eines Gefangenen vorbereitet zu haben schienen. Er wandte sich ab und ging, ohne sie zu beachten, nach seinem Zimmer. Er wußte ja, daß sie zu ihm kommen würden; sie waren ihm gewiß. Nach kurzer Zeit trat Ludewig bei ihm ein, um den Kommissar zu melden.
    „Er mag hereinkommen“, sagte der Oberförster. „Wo sind die Gendarmen?“
    „Sie halten die Ausgänge besetzt, Herr Hauptmann.“
    „Ah! Schön! Warte draußen vor der Tür!“
    Der Jäger ging und ließ den Kommissar herein.
    „Besten guten Morgen, Herr Oberförster!“ grüßte dieser mit höhnischer Höflichkeit.
    „Guten Morgen“, antwortete dieser höflich. „Sehen Sie, was eine gute Lehre zu bedeuten hat! Sie haben bereits ganz hübsch Grüßen gelernt.

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