42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
mit zu sehen?“
„Ich komme mit, um Ihnen meinen Cousin, den Herrn Doktor Sternau, etwas anders vorzustellen als nur mit den Worten: Hier ist Sternau.“
Der Anwalt konnte ein verlegenes Lächeln nicht ganz verbergen. Er verbeugte sich vor dem Doktor und sagte in einem verbindlichen Ton:
„Ich gestehe aufrichtig, daß es mir lieb gewesen sein würde, Ihre Bekanntschaft an einem anderen Ort gemacht zu haben, hoffe jedoch, daß hier ein Mißverständnis vorliegt, welches sich leicht aufklären läßt.“
„Ich bin überzeugt davon, Herr Anwalt“, antwortete Sternau, „und bitte nur, diese Papiere und Dokumente einer freundlichen Durchsicht zu unterwerfen.“
Er zog sein Portefeuille und legte dem Beamten eine Reihe von Papieren vor. Dieser begann dann die Durchsicht. Seine Miene nahm von Minute zu Minute eine immer größere Spannung an, er warf zuweilen einen erstaunten oder forschenden Blick auf Sternau und sprang zuletzt gar plötzlich empor und rief:
„Aber das ist ja ganz außerordentlich, und, Herr Doktor, Sie besitzen Empfehlungen und stehen unter Protektionen, denen sich Ihr ärgster Feind fügen müßte. Und das bin ich doch wahrlich nicht. Hier meine Hand. Lassen Sie uns Freunde sein, und beehren Sie mich mit der Erlaubnis, Ihnen in dieser wunderbaren Angelegenheit meine Hilfe anbieten zu dürfen.“
Sternau nahm die dargebotene Hand an und sagte:
„Ich wußte es, daß ich in Ihnen es mit einem Ehrenmann zu tun hatte. Ja, lassen Sie uns Freunde sein, und versagen Sie mir Ihren Rat nicht, wenn ich dessen bedürfen sollte.“
Der Kommissar stand ganz verblüfft dabei. Der Anwalt wandte sich jetzt streng an ihn:
„Herr, Sie haben da wieder einmal einen fürchterlichen Bock geschossen. Ihre Darstellung war ganz aus der Luft gegriffen. Ein Polizist, der seine Angaben aus dem Reich einer überspannten Phantasie herholt, ist nicht an seinem Platz. Ich werde Ihnen lange Zeit nicht mehr glauben können. Gehen Sie, aber bitten Sie diese Herren, welche Ehrenmänner sind, vorher um Verzeihung.“
Der wie mit Wasser Übergossene trat näher und sagte: „Verzeihen Sie mir, meine Herren!“
Sternau antwortete nur mit einem kalten, fast unmerklichen Neigen seines Kopfes, der wackere Oberförster aber konnte sich eine hörbare Genugtuung nicht versagen.
„Da haben Sie es, Männchen, was Sie für einen Pudel schießen. Halten Sie nun Ihre Haussuchung meinetwegen am Mond, aber um Gottes willen nicht bei mir.“
Der also Bestrafte trat ab, und der Staatsanwalt meinte:
„Ich bin begierig, heute noch Näheres über Ihre Erlebnisse in Spanien zu hören, Herr Doktor. Haben Sie vielleicht ein Viertelstündchen Zeit?“
„Wir stehen gern zur Verfügung, Herr Anwalt.“
„Schön. Das hier ist mein Amts- und Arbeitszimmer, aber daneben habe ich mein Privatkabinett. Da gibt es wohl auch eine Zigarre und ein Glas Wein. Bitte treten Sie ein!“
Sein Gehilfe, der schreibend an einem Ecktisch gesessen hatte, sprang empor und riß mit einer tiefen Verbeugung die Tür auf, welche er hinter ihnen wieder schloß.
Unterdessen war draußen in Rheinswalden der kleine Kurt aus dem Vorwerk nach dem Schloß gekommen, um zum Hauptmann zu gehen. Er traf im Hof den Jäger Ludewig.
„Guten Morgen, Ludewig. Ist der Herr Hauptmann in seinem Zimmer?“ fragte er.
„Nein“, antwortete der Jäger kurz und ärgerlich.
„Wo ist er denn?“
„Arretiert!“
„Arretiert? Von wem denn?“
„Von einem Polizeikommissar; er und Herr Doktor Sternau.“
„Der Herr Doktor Sternau auch, den ich so gern habe! Was haben sie denn gemacht?“
„Nichts. Sie sind unschuldig dahier.“
„Warum läßt du sie denn da arretieren?“
„Ich konnte nichts machen!“
„Nichts? Ludewig, du bist ein Hasenfuß.“
„Sapperlot, Junge, das verstehst du nicht!“
„Wann kommen sie denn wieder?“
„Weiß ich es? Es hat Leute gegeben, welche jahrelang unschuldig eingesperrt worden sind.“
„Höre, Ludewig, wo stecken sie denn?“
„Bei dem Staatsanwalt, wie ich gehört habe dahier.“
„Und wo ist der?“
„Im Gerichtsgebäude.“
„Wo die vielen Gitter vor den Fenstern sind?“
„Ja.“
„Höre, Ludewig, ich werde sie herausholen aus dem Loch!“
„Unsinn dahier! Der Staatsanwalt würde dich schön auslachen dahier!“
„Das soll ihm wohl vergehen! Ich nehme meine Flinte mit!“
„Da wirst du gar nicht zu ihm gelassen. Deine Mama läßt dich auch gar nicht fort.“
„So! Aber ich leide es nicht, daß man den
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