42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers
hoch auf, und seine großen Augen lagen so fest auf dem Polizisten, daß dieser das fehlende Wort sofort ergänzte:
„Sie sind der Herr Doktor Sternau?“
„Ja, dieser bin ich.“
„Sie kommen aus Spanien?“
„Ja.“
„Sie wohnten da beim Grafen Rodriganda?“
„Ja.“
„Sie fesselten einen gewissen Gasparino Cortejo?“
„Ja.“
„Sie nahmen die Tochter des Grafen mit nach Deutschland?“
„Ja.“
„Sie erhielten die Unterstützung von Räubern, als Sie auf der Flucht ergriffen werden sollten?“
„Ja.“
„Sie entsprangen aus dem Gefängnis von Barcelona?“
„Ja.“
„Diese Geständnisse genügen vollkommen. Sie sind mein Gefangener, Herr Sternau!“
„Ich füge mich!“
„Was?“ fragte der Hauptmann verwundert. „Sie fügen sich, Cousin?“
„Ja“, lächelte der Gefragte.
„Ich werde zunächst Ihre Effekten durchsuchen“, meinte der Kommissar.
„Ich glaube nicht, daß der Herr Hauptmann als Besitzer dieses Hauses und als mein Gastfreund Ihnen dieses gestatten wird.“
„Der Teufel soll mich holen, wenn ich es erlaube!“ rief der Hauptmann.
„Ich muß mir jede Widersetzlichkeit verbitten!“ warnte der Polizist.
„Und ich mir jede Überschreitung Ihrer Befugnisse. Sie scheinen in einem außerordentlichen Vorurteil gegen mich befangen zu sein, und ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich Sie zur Verantwortung ziehen werde!“
Diese Worte und der Ton, in welchem sie von Sternau gesprochen wurden, machten einen sichtlichen Eindruck auf den Kommissar. Er verbeugte sich wenigstens sehr höflich und sagte:
„Ich habe nur meine Pflicht zu tun!“
„Untersuchen wir diese Pflicht einmal gewissenhaft!“ sagte Sternau. „Sie haben dem Herrn Hauptmann gestern an dieser Stelle mitgeteilt, daß ich von Spanien aus steckbrieflich verfolgt werde. Wollen Sie die Güte haben, mir einen dieser Steckbriefe vorzuzeigen?“
„Ich – trage keinen bei mir“, antwortete der Gefragte.
„Haben Sie einen dieser Steckbriefe gelesen?“
„Ich – ich habe mich darüber hier nicht auszusprechen.“
„Gut. Ich sehe, wie die Sache liegt. Sie haben dem Herrn Hauptmann die Unwahrheit gesagt. Von einer steckbrieflichen Verfolgung ist gar keine Rede. Man weiß in Rodriganda, daß ich aus Mainz bin, und es ist der Wunsch ausgesprochen, Recherchen nach mir anzustellen. Wie Sie daraus meine Arretierung und eine Haussuchung herleiten wollen, ist mir unverständlich. Was meine Person betrifft, so weigere ich mich nicht, mich Ihnen zur Verfügung zu stellen, natürlich unter dem Vorbehalt, daß Sie die Verantwortung Ihres Verhaltens tragen. Was das übrige betrifft, so muß ich mich gegen jede Haussuchung verwahren. Dieses Haus birgt eine schwer geisteskranke Dame, die Gräfin Rodriganda, von der ich jede Störung oder Aufregung streng fernhalten muß. Ich bin Arzt und weiß zu vertreten, was ich sage. Nicht Sie, sondern der Staatsanwalt hat die Untersuchung zu führen, wenn eine solche für nötig gehalten werden sollte; ich begleite Sie zu ihm; alles weitere verbitte ich mir!“
„Und ich“, meinte der Hauptmann, „werde jeden niederschießen, der es wagt, ohne meine Erlaubnis in eines meiner Zimmer zu treten, gleichviel, ob er Kommissar oder Gendarm ist!“
Der Polizist sah sich zwei Männern gegenüber, mit denen nicht zu scherzen war. Er beschloß, die Saiten nicht zu hoch zu spannen, und fragte daher:
„Sie werden mich also zum Herrn Staatsanwalt begleiten?“
„Ja.“
„So bitte ich, mir nach meinem Wagen zu folgen.“
„Das werde ich allerdings nicht tun“, sagte Sternau. „Ich bin kein Raubmörder, welcher unter eine solche Bedeckung zu nehmen ist. Der Herr Hauptmann wird mir wohl einen Wagen zur Verfügung stellen. Sie können mir mit dem Ihrigen folgen, um mich nicht aus dem Auge zu verlieren.“
„Ja Cousin, ich lasse sofort anspannen“, erklärte der Oberförster. „Ich fahre selbst mit. Der Staatsanwalt ist ein guter Bekannter von mir. Ich werde doch sehen, ob er uns fressen wird.“
So geschah es. Es wurde angespannt, und dann rollten die beiden Wagen auf der Straße nach Mainz dahin. Dort fuhren sie nach dem Gerichtsgebäude, wo der Kommissar sich mit Sternau bei dem Staatsanwalt melden ließ. Der Hauptmann trat eigenmächtig mit ein.
Der Anwalt erhob sich bei dem Eintritt der drei Männer.
„Hier ist Sternau“, sagte der Kommissar in dienstlichem Ton.
„Schön“, meinte der Anwalt. „Ah, Herr Hauptmann, was gibt mir das Vergnügen, auch Sie
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