Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
beobachten.
    „Ich will Ihnen offen gestehen“, begann Cortejo, „daß ich Ihnen mein volles Vertrauen schenke. Besonders hat mich die Art und Weise, wie Sie sich sofort zur Prinzeß Flora stellen, angenehm berührt.“
    „Die Prinzeß ist zu steif und gemütlos behandelt worden. So ein Kind will von Herz zu Herz genommen werden“, schaltete die Gouvernante ein.
    „Sie werden das besser verstehen als Ihre Vorgängerinnen. Ich bin bereit, Sie zu engagieren, Señora. Darf ich auch Ihre Meinung vernehmen?“
    Sie errötete vor Freude und antwortete: „Auch ich sage ja und bitte Gott, daß er mir Kräfte gebe, diesem guten Kind die Mutter möglichst zu ersetzen.“
    Bei diesen Worten trat ihr eine Träne in das Auge. Auch Cortejo tat, als ob er sich gerührt fühle, und fragte:
    „Welche pekuniären Ansprüche machen Sie?“
    „Ich bitte, mir dasselbe zu gewähren, was meine Vorgängerinnen hatten.“
    „Sie erhielten vierhundert Duros. Ich werde für Sie jedoch fünfhundert notieren, Señorita.“
    Da schlug sie in ihrem Glück die Hände zusammen.
    „Mein Gott, so viel? Oh, nun kann ich auch meine Mutter und meine Geschwister besser bedenken!“
    Cortejo nickte ihr anerkennend zu. Er sah, daß sich das vordere Glied eines Fingers durch das Loch in der Tapete steckte. Er verstand dieses Zeichen und erklärte:
    „Ich freue mich über die Anwendung, die Sie von Ihrem Gehalt zu machen gedenken. Ich begreife, daß die Veränderung, welche Ihre Verhältnisse heute erleiden, Sie zu mancher unvorhergesehenen Ausgabe veranlassen wird und bitte Sie daher um die Erlaubnis, aus der Privatschatulle des Herzogs eine Extraremuneration von zweihundert Duros anzunehmen. Ein Vierteljahresgehalt wird Ihnen außerdem pränumerando ausgehändigt werden.“
    Sie fuhr empor und stand sprachlos vor Erstaunen da.
    „O mein Gott, ist das möglich?“ rief sie endlich. „Das ist ja eine Seligkeit, wie ich sie noch nie empfunden habe. Señor, Sie wissen wohl nicht, was es heißt, arm zu sein; Sie machen nicht bloß mich, Sie machen auch die Meinen glücklich durch diese unverdiente Gnade. Ich danke Ihnen aus tiefstem Herzen!“
    „Nicht mir danken Sie; tun Sie das morgen, wenn Sie dem Herzog vorgestellt werden. Wann werden Sie antreten können?“
    „Sobald Sie es wünschen, Señor.“
    „Also morgen. Ich werde früh Ihre Effekten abholen lassen.“
    „Und noch eine Frage“, sagte sie. „Welcher Art ist hier meine Stellung zur Dienerschaft?“
    „Serenissimus sind Witwer, und danach richtet sich alles andere. Der Herzog speist stets auf seinem Zimmer, und wir anderen, auch Sie mit inbegriffen, tun dasselbe. Sie sind Erzieherin, aber nicht Dienerin, die Domestiken haben Ihnen zu gehorchen.“
    „Ich danke Ihnen.“
    „Haben Sie sonst noch eine Frage?“
    „Für jetzt nicht. Sollte ich mich später in einer Ungewißheit befinden, so bitte ich Sie um die Erlaubnis, mich an Sie wenden zu dürfen.“
    „Ich stehe Ihnen stets und gern zur Verfügung.“
    Sie ging, und Cortejo führte sie bis zum Portal des Palais, wo er sie mit einer höflichen Verbeugung entließ. Mehr schwebend als gehend, begab sie sich nach Hause. Sie hatte einen Punkt, einen Halt im Leben gewonnen, von dem sie vorher nicht einmal geträumt hatte.
    Als sie im Haus des Bankiers nach ihrem Zimmer schritt, traf sie auf Sternau, der zufällig aus seiner Wohnung kam. Er blieb, überrascht über den glücklichen Ausdruck ihres Angesichtes, stehen.
    „Bitte, kommen Sie einmal!“ bat sie.
    Er folgte ihr, verwundert über diese Einladung.
    In ihrem Zimmer angekommen, warf sie die Mantille, welche sie nach spanischer Sitte trug, auf einen Stuhl, atmete tief auf und fragte ihn:
    „Raten Sie einmal, woher ich komme!“
    „Geradewegs vom Himmel herab“, antwortete er.
    „Weshalb sagen Sie das?“
    „Weil Sie so verklärt aussehen.“
    „Ja, ich bin glücklich, unendlich glücklich! Ich habe eine Stellung!“
    „Ah!“
    „Raten Sie, wo!“
    „Wo? Das ist nicht zu erraten. Vielleicht ist es diejenige, welche gestern im Blatt stand.“
    „Ja, sie ist's!“
    „Hm“, machte er mit zweifelhaftem Gesichtsausdruck.
    „Warum dieses Gesicht und diese Interjektion?“
    „Weil ich mir nicht denken kann, daß eine Stellung, welche in allen drei Blättern dieser Stadt ausgeboten ist, eine so exzellente ist, daß man sich wie im Himmel fühlen muß.“
    „Und doch ist's so. O wenn Sie wüßten.“
    „Vielleicht erfahre ich es“, sagte er, lächelnd über ihre

Weitere Kostenlose Bücher