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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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unterließ es, ein rügendes Wort auszusprechen; er bemerkte nur einfach:
    „Er kann nicht weit fort sein. Er war zu schwach zum Gehen.“
    „War er nicht in einem der vorderen Zimmer?“ fragte Rosa.
    „Nein.“
    „So ist er in der Bibliothek!“
    Sternau öffnete die Tür zu derselben, fand aber den Gesuchten nicht. Er suchte sogar in und unter den Möbeln, aber ohne Erfolg.
    „Ich begreife nicht, daß er das Bett und das Zimmer verlassen haben kann“, sagte er kopfschüttelnd. „Er war so schwach und litt an keinerlei körperlicher oder geistiger Aufregung. Auch die Fenster sind alle von innen verschlossen, also ein Sturz oder Sprung durch dieselben hinab ist gar nicht möglich. Man muß sofort im ganzen Schloß nachsuchen.“
    Jetzt nun begann sich eine Szene zu entwickeln, die ganz unmöglich beschrieben werden kann. Sämtliche Bewohner des Schlosses wurden alarmiert und ausgefragt. Keiner hatte den Grafen gesehen und keiner eine Spur von ihm bemerkt. Es wurde selbst der kleinste und entfernteste Winkel des Schlosses durchsucht und durchforscht, aber ohne allen Erfolg. Während der dadurch hervorgebrachten Aufregung blieben nur drei vollständig ruhig und scheinbar unberührt – der Advokat, die Schwester Clarissa und Alfonzo. Sie saßen allein im Salon und ließen die anderen suchen.
    „Wo mag er nur sein?“ fragte die Schwester.
    Der Advokat lächelte überlegen und antwortete:
    „Sagte ich gestern unserem Alfonzo nicht, daß er nur bis heute warten soll?“
    „Ah, ist es so!“ rief sie ganz begeistert. „Hast du eine Ahnung, wo er sich befinden kann?“
    „Hm! Er war verrückt; man hat ihn schlecht bewacht, und so ist er im Delirium darauf gekommen, das Schloß zu verlassen. Ich befürchte sehr, daß ihm ein arger Unfall geschehen ist!“
    „Ha, dann siegen die Gerechten endlich, und die Ungerechten müssen unterliegen. Gottes Langmut ist groß, nimmt aber endlich doch einmal ein Ende. Sollte er verunglückt sein, mein teurer Freund?“
    „Das ist sehr leicht möglich.“
    „Dann wäre unser Alfonzo ja augenblicklich unbestrittener Besitzer der ganzen Grafschaft!“
    „Allerdings.“
    „So darf er jetzt nicht länger zaudern. Geh, mein Alfonzo, geh, und nimm die Leitung der Nachforschung in deine Hände!“
    Der Angeredete wollte sich erheben, um diesen Worten Folge zu leisten, aber der Advokat hielt ihn zurück.
    „Warte noch, mein Sohn!“ sagte er. „Dieser Doktor Sternau hat sich zum Beherrscher der hiesigen Verhältnisse aufgeworfen. Er hat deine Anordnungen zurückgewiesen und mag nun auch die Folgen tragen. Man wird schon selbst kommen, um auch uns zu fragen!“
    Mit dieser Voraussetzung hatte er sehr recht, denn es dauerte nicht lange, so trat Rosa in der allerhöchsten Aufregung herein und rief:
    „Aber, Alfonzo, der Vater ist verschwunden, und du sitzt so ruhig hier!“
    Der Angeredete zuckte einfach die Achsel und antwortete sehr gleichmütig:
    „Ich muß mich leider bescheiden; man hat mir ja das Recht, mitzudenken, mitzureden und mitzuhandeln, gewalttätig abgesprochen!“
    „Das ist in der Weise, in welcher du es zu meinen scheinst, ja keinem Menschen eingefallen!“
    „Streiten wir uns nicht abermals! Ihr habt getan, was Euch beliebte, und müßt nun auch die Konsequenzen tragen. Wenn meinem Vater ein Unglück passiert sein sollte, so habt nur Ihr es zu verantworten; ich kann meine Hände in Unschuld waschen.“
    „Aber der Vater muß sich doch irgendwo befinden!“
    „Ist er denn nicht im Schloß?“
    „Nein.“
    „So ist er also außerhalb des Schlosses zu suchen. Señor Cortejo, Ihr seid der Sachwalter meines armen Vaters; nehmt Euch doch seiner und auch meiner an und veranlaßt die nötigen Schritte, daß er gefunden wird!“
    Der Advokat erhob sich mit Würde und fragte die Gräfin:
    „Wie war Don Emanuel bekleidet, Doña Rosa?“
    „O mein Gott, fast gar nicht. Er lag ja krank und so schwach, daß an ein Erheben von dem Lager gar nicht gedacht werden konnte!“
    „Das mag die Ansicht Señor Sternaus gewesen sein; ich aber weiß, daß ein geistig Gestörter selbst beim schwächsten Körper zu fast riesenhaften Anstrengungen fähig ist. Ich werde Don Emanuel in der ganzen Umgegend suchen lassen und empfehle Ihnen, demjenigen, der ihn findet, eine Belohnung ausschreiben zu lassen. Wir feuern damit die Tatkraft aller derer an, die imstande sind, uns zu nützen.“
    „Ja, tun Sie das. Señor, tun Sie das!“ antwortete Rosa; dann eilte sie wieder

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