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43 Gründe, warum es AUS ist

Titel: 43 Gründe, warum es AUS ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Schriftzug Majakowskis Traum über einem Zentaur, der einen Dreizack über dem Kopf hielt und einen Huf erhoben hatte, um uns alle zu bezwingen und zu bedeutungslosem Staub zu zertreten. Es lag auch nicht bloß an uns, daran, dass wir noch Schüler waren, ich ein Junior und du ein Senior, und unsere Kleidung völlig verkehrt war: zu bunt und zu zerknittert und mit zu vielen Reißverschlüssen, zu fleckig und schlampig und peinlich und elastisch und modisch und verzweifelt und lässig und unsicher und angeberisch und verschwitzt und sportlich und einfach verkehrt. Es lag auch nicht daran, dass Lottie Carson nicht von ihrem Platz herüberschaute, an dem sie jemandem zusah, auch nicht daran, dass dieser Jemand ein Kellner war, und auch nicht, dass dieser Kellner eine Flasche mit einer roten Serviette darum hoch über dem Kopf hielt, und es lag auch nicht daran, dass sich in dieser eisgekühlten Flasche, an deren Hals Tropfen glitzerten, Champagner befand. Das alles war es nicht. Es war die Speisekarte, logisch, die auf einem kleinen Podest nah bei der Tür ausgestellt war, und wie gottverdammt viel gottverdammt alles kostete und wie gottverdammt viel Geld uns dazu in unseren gottverdammten Taschen fehlte. Also gingen wir rein und gleich wieder raus, aber nicht bevor du dir eine Schachtel Streichhölzer aus dem ausladenden Cognacschwenker gegriffen und mir in die Hand gedrückt hast, noch ein Geschenk, noch ein Geheimnis, noch eine Gelegenheit, dich vorzubeugen und mich zu küssen. »Keine Ahnung, wieso ich das mache«, sagtest du, und ich habe dich zurückgeküsst, und meine Hand mit der Streichholzschachtel lag in deinem Nacken.
    Die zweite Nacht war die, nachdem ich meine Jungfräulichkeit verloren hatte, nachdem du mich abgesetzt und ich nachmittags stundenlang nur müde und ruhelos auf meinem Bett gelegen und ins Leere gestarrt hatte – da waren wieder sieben oder acht Streichhölzer fällig. Die dritte Nacht, das war, nachdem es aus war mit uns, und das wäre eine Million Streichhölzer wert gewesen, aber es waren dann doch nicht mehr als die, die mir noch geblieben waren. In der Nacht fühlte es sich so an, als würden die Hölzchen, wenn ich sie vom Dach hinunterschnipste, alles in Brand setzen, als würden die Funken der Streichholzköpfchen die Welt in Flammen aufgehen lassen und all die vielen Menschen darin mit gebrochenem Herzen. Alles sollte in Rauch aufgehen, du solltest in Rauch aufgehen. In einem Film würde das allerdings nicht funktionieren, zu viele Effekte, zu viel Show für jemanden, der sich so klein und elend fühlte wie ich. Also schneiden, rausnehmen aus dem Film, auch wenn ich mir die Szene noch so oft als Daily ansehe. Aber ich will es immer noch, Ed, ich will das, was gar nicht möglich ist, und deswegen ist es aus.

     

 
     
    Direkt gegenüber von Majakowskis Traum , gerade mal einen Katzensprung entfernt, versteckten wir uns in einem Laden, dem A-Post Novelties , spähten durch die Regale mit was weiß ich allem und warteten und warteten darauf, dass Lottie Carson endlich ihren glamourösen Zwischenstopp beendete und wir ihr nach Hause folgen konnten. Vermutlich dachten wir, wir könnten schlecht die ganze Zeit auf der Straße rumhängen, wieso hätten wir sonst in diesen Laden gehen sollen mit den ewig mürrischen Zwillingshexen, die ihn betreiben, und all dem Quatsch, den sie verkaufen, teurem Glitzerkram, den Leute anderen Leuten zum Geburtstag kaufen, wenn sie die nicht gut genug kennen, um das zu finden und ihnen zu schenken, was sie sich wirklich wünschen. Von allem, was du mir geschenkt hast, Ed, ist die Kamera das Einzige aus diesem Laden – immerhin. Ich schlenderte also zwischen Aufziehtieren und angestaubten Glückwunschkarten herum, während du dich unter den Mobiles wegducktest, die sie da hängen haben, bis du endlich sagtest, was dir schon die ganze Zeit durch den Kopf ging.
    »Ich kenne sonst kein Mädchen wie dich.«
    »Wie?«
    »Ich habe gesagt, ich kenne sonst kein –«
    »Was heißt das – wie mich?«
    Du hast geseufzt und gelächelt und mit den Schultern gezuckt und wieder gelächelt. Das Mobile bestand aus glitzernden Sternen und Kometen, die um deinen Kopf kreisten, so als wärst du eine Comicfigur und ich hätte dich gerade k.o. geschlagen. »Du bist mehr so der künstlerisch angehauchte Typ«, war dein erster Vorschlag.
    Ich baute mich direkt vor dir auf. »Der künstlerisch angehauchte Typ – ich doch nicht!«, sagte ich. »Jean Sabinger vielleicht,

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