43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
gefühllos.“
„Nein, aber ich sehe, was Wahrheit und was Komödie ist.“
„Was, du denkst, sie spielt Komödie mit solchen Schmerzen?“
„Schmerzen? Pah!“
„Ich habe es ja gesehen.“
„Aber nicht gefühlt, meine gute Elvira.“
„Hast du nicht die Gesichter gesehen, die sie vor Schmerzen schnitt?“
„Das kann ein jeder, ich auch. Sie ist gar nicht gestürzt.“
„Was denn sonst? Alle sagen, daß sie aus der Luft herabgestürzt sei!“
„Nein, sie ist nicht gestürzt, sondern sie hat sich gestürzt, sie hat sich recht sanft und behutsam drei Fuß hoch herabgleiten lassen. Ich habe es deutlich gesehen. Sie brachte das sehr täuschend fertig, denn sie ist eine Schauspielerin.“
„Denkst du das wirklich, Alimpo?“
„Ich bin überzeugt davon, daß sie damit den Grafen fangen wollte. Nun hat sie ihn und wird Gräfin de Rodriganda.“
„Mein Gott, eine Tänzerin!“
„So etwas soll öfters vorkommen.“
„Was werden die beiden jungen Herren sagen?“
„Das ist es ja, was mich so erzürnt. Ich habe beide herzlich lieb, ich habe mit ihnen Unterricht genossen, ich weiß, was sie in dieser Sache denken und fühlen werden. Ich sage dir, meine gute Elvira, die tausend Teufel, die diese Tänzerin im Leib hat, wird sie nun bald auf Rodriganda loslassen.“
„Da möchte ich nicht dabeisein.“
„Warum nicht? Der Graf will für uns sorgen. Jetzt ist er vor Liebe ganz selig, und wenn er mir eine Stellung bietet, über die ich mich freuen kann, so nehme ich sie an, ohne nach den tausend Teufeln zu fragen, die mich nichts kümmern.“
In diesem Augenblick hatte es da drinnen im Schlafzimmer allerdings nicht das Aussehen, als ob die Ballerina tausend Teufel im Leibe habe. Sie lag vielmehr so ergeben und geduldig auf ihrem weichen Bett, als wolle sie einem Maler zum Bild der personifizierten Sanftmut sitzen oder liegen. Elvira hatte sie vorhin umkleiden müssen, und nun ruhte sie, nur in das feine weiße Negligé gehüllt, mit müde geschlossenen Augen.
Der Graf hielt eine ihrer Hände in der seinigen und verwandte keinen Blick von ihr. Er hatte noch kein anderes als nur notwendiges Wort mit ihr gesprochen und horchte zuweilen nach der Tür hin, ob sich nichts vernehmen lasse.
Da endlich erklangen halblaute, schnelle Schritte, und sein Hausarzt trat ein. Er wußte bereits von der Anwesenheit des Grafen und zeigte sich also nicht verwundert darüber. Er hatte in kurzer Zeit die Kranke untersucht und riet achselzuckend zur möglichsten Ruhe und Schonung, verschrieb auch ein Medikament, das nichts schadete, er erkannte wohl, daß die Patientin vollständig rüstig sei, hielt es aber nicht für seine Aufgabe, dies zu äußern.
Als er sich entfernt hatte, bog der Graf sich zu der Ballerina nieder und fragte:
„Macht Ihnen das Hören Schmerzen, Señorita?“
„Nein“, lispelte sie.
„So darf ich sprechen?“
Sie nickte müde und fuhr sich mit der feinen Hand nach der Stirn.
Seine Hand bebte leise in der ihrigen; sie fühlte es und freute sich darüber.
„Sie wissen“, fragte er, „von wem die Buketts waren, die Sie jetzt täglich des Morgens erhielten?“
„Ja.“
„Sie wußten auch, wer Ihnen den Schmuck sandte?“
„Ich ahnte es.“
„Woher, Señorita?“
„Ich hatte Sie in der Vorstellung gesehen und mich nach der Farbe Ihrer Livree erkundigt.“
„Ah“, sagte er glücklich, „da mußten Sie also meinen guten Alimpo sofort erkennen. Zürnten Sie mir?“
Sie versuchte ein leises, mildes Lächeln und antwortete:
„Im Gegenteil, Don Manfredo.“
„Sie freuten sich also?“
„Ja.“
„Ich höre, daß Sie sogar meinen Rufnamen wissen.“
Ein glückliches Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Sind Sie mir böse“, fragte er weiter, „daß der Schreck und die Angst meines Herzens mich heute zu Ihnen hinter die Szene trieben?“
Sie schüttelte den Kopf und erwiderte:
„Nein, das war nur ritterlich.“
„Ja, Ihr Ritter möchte ich sein, jetzt, stets, allezeit, für das ganze Leben.“
Die Tänzerin schloß die Augen, als müsse die Seligkeit, die sie über seine Worte empfand, vor jeder profanen Berührung mit der äußeren Sinneswelt bewahrt werden.
„Und darf ich heute bei Ihnen wachen, Señorita?“
„O nein“, hauchte sie, aber ein schneller Augenaufschlag bat ihn gerade um das Gegenteil. „Was würde man dazu sagen?“
„Oh, man sollte nur ein einziges Wort wagen!“ drohte er.
„Ich bin müde“, lispelte sie, ihre Hand aus der seinigen ziehend
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