43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
und nun beide Hände wie zum Nachtgebet faltend.
„Schlafen Sie! Ich bleibe!“
Der Sturz schien sie ganz widerstandslos gemacht zu haben. Sie sprach nicht mehr, und bald verkündigten ihre leisen, ruhigen Atemzüge, daß sie eingeschlafen sei.
Und nun saß der Graf während der ganzen langen, einsamen Nacht neben ihr, während die Ampel ihren purpurnen, verklärenden Schein über das Lager warf.
Nur mit Mühe vermochte sich der Graf endlich von dem bezaubernden Anblick der Ballerina loszureißen, um sich leise zu erheben und in das Vorzimmer zu treten. Er hatte gar nicht wieder daran gedacht, daß er Alimpo befohlen hatte, dort zu wachen, und daß der Arzt auch Elvira gebeten hatte, in der Nähe ihrer Herrin zu bleiben.
Da saßen nun beide auf dem Sofa, im tiefen Schlaf aneinandergeschmiegt. Ihre ehrlichen, treuen Gesichter machten einen guten, vertrauenerweckenden Eindruck, und der Graf murmelte vor sich hin:
„Sie lieben sich, sie sollen glücklich sein, so wie ich glücklich bin.“ Dann ließ er sich wieder neben dem Lager der Tänzerin nieder und wachte bis zum Morgen, wo eine Bewegung der Ballerina andeutete, daß sie ausgeschlafen habe.
Der Graf hatte freilich nicht bemerkt, daß sie ihn bereits seit einiger Zeit unter den Wimpern hervor beobachtete.
Endlich öffnete sie langsam die Augen.
Es hatte den Anschein, als besinne sie sich zunächst gar nicht auf das Geschehene, bis ihr Blick den seinen traf und sie nun mit einem leisen Schrei zusammenfuhr.
„Mein Gott, Graf, Sie noch hier?“ fragte sie erstaunt.
„Ich hielt es für meine Pflicht, bei Ihnen zu wachen“, antwortete er lächelnd.
„Oh, mein Leben und meine Gesundheit sind doch nicht so kostbar!“
„Versündigen Sie sich nicht an der Gottheit, Señorita!“ warnte er. „Sie haben Gaben erhalten, die eine jede zur Fürstin, zur Königin machen.“
Da legte sie sich auf die Seite, stemmte den Kopf in die Hand, blickte ihn fest und fast finster an und entgegnete:
„Pah, eine Tänzerin!“
„Aber dennoch wert, eine Königin zu sein!“ behauptete er.
„Wagt es ein Herr, bei einer Königin zu wachen, Don Manfredo?“ fragte sie. „Er wagt es nur bei der Ballerina!“
Ihr Auge leuchtete dabei in einem eigentümlichen drohenden Feuer.
„Tat ich Ihnen unrecht, Señorita?“ fragte er leise.
„Ja. Ich bat Sie, mich zu verlassen.“
„Ich konnte unmöglich gehorchen.“
„Warum nicht?“
„Fragen Sie einen Seligen, warum er nicht aus dem Himmel will!“
„Und dennoch werden Sie diesen Himmel verlassen!“
„Niemals!“
„Sind Sie denn dieses Himmels würdig?“
Bei dieser Frage richtete die Tänzerin einen Blick auf ihn, dessen Hingebung ihn trunken machte.
„Prüfen Sie mich!“ bat er.
Jetzt lagerte sich ein tiefer Ernst über ihr morgenfrisches Gesicht.
„Prüfen?“ fragte sie. „Ich Sie? Das Weib ist schwach, es lebt nur für die Liebe, aber der Mann ist stark. Prüfen Sie sich selbst, ob Sie würdig sind.“
Da kniete er vor ihr nieder, faßte ihre beiden Hände und erwiderte: „Ich bin es, Señorita.“
„Beweisen Sie es!“
„Ich will diesen Himmel nicht geschenkt haben; ich will mir ihn nicht erbetteln, sondern erringen und erkaufen.“
„Wodurch?“
„Dadurch, daß ich Ihnen alles zu Füßen lege, was ich bin und was ich habe.“
„Auch die Grafenkrone?“ fragte sie mit ungläubiger Miene, indem ihr Herz im geheimen vor Erwartung bebte.
„Auch die Grafenkrone!“
Da entzog sie ihm ihre Hände und machte eine Bewegung, als ob sie ihn von sich stoßen wolle.
„Gehen Sie, Graf!“
„Wie, Sie glauben mir nicht?“ fragte er erregt.
„Nein. Ich glaube keinem Mann.“
„So lernten Sie noch niemals einen Mann kennen, Señorita!“
Nun erhob sie sich aus der liegenden in die sitzende Stellung, und ihre Augen blickten ihn blitzend an, um aber nach und nach einen schwärmerischen, ja begeisterten Ausdruck anzunehmen.
„Ja“, sagte sie, „Sie haben recht, Graf; ich lernte noch nie einen Mann kennen. Und warum? Weil es keinen gibt! Oh, auch ich habe geträumt und geschwärmt von dem alten Bild des Epheus um die Eiche; auch ich habe mich nach einem Starken, Treuen gesehnt, an dessen Brust mein Herz seine Pulse klopfen lassen dürfe, und ich habe nicht nach Reichtum, Schönheit und Stellung geblickt; ich wollte nur einen Mann, nichts als einen Mann, dessen Haupt ich bewahren könnte vor Sorge und Kummer. Pah, was habe ich gefunden!“
„Señorita, suchen Sie noch! Sie werden einen
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