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43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas

43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas

Titel: 43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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spät wie möglich bemerke. Hierauf verließ er die Morgue, um sich einige Stunden lang in der Stadt herumzutreiben und dann zu dem Grafen zurückzukehren. Dieser hatte ihn kommen sehen und kam ihm bis zur Zimmertür entgegen.
    „Nun?“ fragte er. „Wie steht es?“
    „Schlecht!“ antwortete Gerard. „Es war gefährlich, weil ich beinahe erwischt worden wäre; der Kerl schrie wie ein Spatz und wehrte sich wie ein Bär.“
    „So verstehst du dein Handwerk nicht.“
    „Pah! Ich hatte es mit einem Garotteur zu tun.“
    „Du hast die Hand?“
    Der Gauner zog sie hervor und zeigte sie dem Grafen, derselbe betrachtete sie ohne Grauen und sagte:
    „Das ist ein starker Kerl gewesen! Aber ich sehe nicht die mindeste Blutspur!“
    „Das fehlte auch noch! Sollte ich mich verraten?“
    „Du hast die Hand wohl abgewaschen?“
    „Ja, im Waschtisch.“
    „Gescheit! Aber mein Portefeuille?“
    „Wo haben Sie die zweitausend Franken?“
    Der Bandit zog das Portefeuille hervor und hielt es dem Grafen entgegen, dieser wollte zugreifen, aber der Schmied zog die Hand schnell zurück und sagte:
    „Sachte, Monsieur, ist es Ihre Brieftasche?“
    „Ja.“
    „So erbitte ich mir das Geld.“
    „Aber ich muß doch sehen, ob alles vorhanden ist.“
    „Das heißt, wenn etwas fehlt, erhalte ich mein Geld nicht?“
    „Allerdings.“
    „Das wurde nicht ausgemacht, Monsieur.“
    „Das versteht sich ja ganz von selbst.“
    „Aber ich kann doch nicht dafür, wenn etwas fehlen sollte.“
    „Ist die Brieftasche nicht vollständig, so hat sie keinen Wert für mich.“
    „Das hätten Sie eher sagen sollen, Monsieur, so lebte mein Kamerad noch.“
    „Meinetwegen! Also her damit!“
    Gerard steckte das Portefeuille jedoch behutsam wieder ein.
    „Sie erhalten es nicht, Monsieur“, sagte er sehr bestimmt. „Ich sehe, Sie halten nicht Wort, obgleich Sie ein Edelmann sind und obgleich ich, der Garotteur, Wort gehalten habe.“
    Alfonzo wollte aufbrausen, hielt aber an sich.
    „Ich hoffe nicht, daß du mir Moral predigen willst“, sagte er.
    „Nein“, antwortete der Schmied kalt; „aber ebenso hoffe ich nicht, daß Sie glauben, ich werde mit nach Deutschland gehen.“
    „Alle Teufel, du opponierst!“
    „Ja. Ich hantiere nur mit Leuten, auf die ich mich verlassen kann. Adieu!“
    Damit wandte sich Gerard um, als ob er gehen wollte, da aber faßte ihn Alfonzo beim Arm und hielt ihn fest.
    „Halt, bleib!“ sagte er.
    „Nein, ich gehe, Monsieur!“
    „Ich gebe dir die zweitausend Franken und zugleich das übrige ausbedungene Geld.“
    „Gut, so bleibe ich.“
    „Also her das Portefeuille.“
    „Vorher das Geld.“
    Alfonzo zog die Stirn in Falten, aber er erkannte sich als den Schwächeren. Er öffnete also den Koffer, entnahm demselben das Geld und zählte es dem Schmied auf den Tisch. Als dieser nachgezählt hatte, sagte er:
    „Es stimmt, Monsieur, hier ist das Buch!“
    Er gab das Portefeuille hin, das der Graf sofort genau untersuchte. „Stimmt es?“ sagte Gerard.
    „Ja“, lautete die Antwort.
    „So sind wir quitt.“
    Gerard strich die Summe ein, sehr zufrieden mit sich, daß er einen so feinen Spitzbuben übertölpelt hatte.
    „Was geschieht mit der Hand?“ fragte der Graf.
    „Ich werfe sie in die Seine.“
    „Gut. Bist du zur Abreise fertig?“
    „Nein. Ich habe Abschied von meiner Braut zu nehmen.“
    „Dazu wirst du nicht lange Zeit brauchen. Was hast du noch zu tun?“
    „Ich muß einen Manufakturisten und einen Schneider aufsuchen, und zwar der Livree wegen.“
    „Ja, das ist wahr. Kann man in Paris fertige Livreen bekommen?“
    „In Phantasie, ja; nach Vorschrift natürlich nicht!“
    „So suche dir eine Phantasielivree aus.“
    „Und wer bezahlt sie?“
    „Du!“ sagte Alfonzo lachend.
    „Ah, ich hätte nicht gedacht, daß ein Marchese d'Acrozza so ein Geizhals sein könnte!“
    „Gut, so nimm sie auf meine Kasse. Was wird sie wohl kosten?“
    „Vierhundert Franken, da sie anständig sein muß.“
    „Schelm!“
    „Pah! Da muß ich mir Wäsche und Fußzeug aus meiner Tasche dazukaufen.“
    „Hier hast du sie!“
    Gerard steckte die vierhundert Franken schmunzelnd ein und fragte: „Wie lange geben Sie mir Urlaub?“
    „Wie lange brauchst du ihn?“
    „Drei Stunden, wenn ich eine Droschke nehme.“
    „So gebe ich dir vier Stunden.“
    „Ich danke. Adieu!“
    Gerard steckte die Hand ein und ging. Unten stieg er in einen Fiaker und fuhr direkt nach dem Magdalenenstift, in dem sich

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