43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
gesprochen und ihm gedankt. Wir sind Brüder geworden wie du und ich.“
„Wo ist er?“
„Er sitzt da drüben bei den Vaqueros, welche von dem Überfall der Comanchen erzählen.“
„Laß uns zu ihnen gehen.“
Der Indianer ergriff seine schwere Büchse, warf sie auf die Schulter und führte den Deutschen.
Weit draußen, mitten zwischen halbwilden weidenden Pferdegruppen, saßen die rauhen Vaqueros auf der Erde und erzählten sich die Abenteuer ihrer jungen Herrin, die sich sehr schnell herumgesprochen hatten. ‚Bärenherz‘ saß schweigsam dabei. Er sagte kein Wort dazu, obgleich er alles besser und wahrer hätte erzählen können. Die beiden kamen und setzten sich mit zu den anderen, welche sich nicht stören ließen, obgleich nun auch der zweite Held der Erzählung zugegen war. Dieser nahm zuweilen das Wort, und so entwickelte sich nach und nach eine jener fesselnden Unterhaltungen, welche man nur beim Lagern in der Wildnis zu hören bekommt.
Da drang ein zorniges Schnauben und Röcheln in das Gespräch hinein.
„Was ist das?“ fragte Helmers, der sich bei diesem Geräusch schnell umdrehte.
„Es ist der Rapphengst“, antwortete der Vaqueros.
„Was ist mit ihm?“
„Er soll verhungern, wenn er nicht gehorcht.“
„Verhungern? Warum?“
„Er ist unzähmbar.“
„Pah!“
„Pah? Señor, zweifelt ja nicht! Wir haben uns alle Mühe mit ihm gegeben. Wir haben ihn nun schon dreimal im Korral gehabt, um ihn zu zähmen, aber wir mußten ihn immer wieder freigeben. Er ist ein Teufel. Wir alle sind Reiter, das könnt Ihr glauben, aber alle hat er abgeworfen, außer einen.“
„Wer ist dieser eine?“
„‚Büffelstirn‘ hier, der Häuptling der Tecalto. Er allein wurde nicht abgeworfen, aber dennoch hat er ihn nicht bezwungen.“
„Unmöglich. Wer nicht abgeworfen wird, der muß doch Sieger bleiben.“
„So dachten wir auch. Aber der Teufel von einem Rapphengst ist mit ihm in das Wasser gegangen, um ihn herabzutauchen, und als dies nicht fruchtete, hat er ihn in den dichtesten Wald getragen und einfach abgestreift.“
„Donnerwetter!“ rief Helmers.
„Ja“, nickte ‚Büffelstirn‘. „Es ist eine Schande, aber es ist wahr. Und ich darf mich doch rühmen, daß ich schon manches Pferd totgemacht habe, welches nicht gehorchen wollte.“
Der Vaquero fuhr fort:
„Es sind viele berühmte Reiter und Jäger hier auf der Estanzia gewesen, um ihre Kraft und Gewandtheit zu versuchen, aber immer vergebens. Sie alle sagen, daß es nur einen gibt, der den Hengst bezwingen kann.“
„Wer sollte das sein?“
„Das ist ein fremder Jäger da oben am Red River, der selbst den Teufel in die Hölle reiten würde. Dieser Mann ist mitten in wilde Pferdetrupps geraten und von Kopf zu Kopf über die Tiere hinweggelaufen, um sich das beste herauszuholen.“
Helmers lächelte belustigt und fragte:
„Hat er einen Namen?“
„Das versteht sich!“
„Welchen?“
„Wie er eigentlich heißt, das weiß ich nicht, aber die Roten nennen ihn Itinti-ka, den ‚Donnerpfeil‘. Es haben viele Jäger, die aus dem Norden kamen, von ihm erzählt.“
Helmers ließ es sich nicht anmerken, daß von ihm selbst die Rede sei, auch ‚Bärenherz‘ und ‚Büffelstirn‘ zuckten mit keiner Miene. Der erstere aber fragte:
„Wo ist das Pferd?“
„Dort hinter jener Treppe liegt es.“
„Gefesselt?“
„Natürlich!“
„Alle Teufel, das ist ein Unrecht!“
„Pah, Señor Arbellez hält große Stücke auf seine Pferde, aber dieses Mal hat er doch geschworen, daß der Rappe gehorchen oder verhungern soll.“
„So habt ihr ihm auch das Maul verbunden?“
„Versteht sich.“
„Zeigt mir ihn.“
„So kommt, Señor.“
Eben als sie sich vom Boden erhoben, sahen sie den alten Arbellez mit seiner Tochter und Karja herbeigeritten kommen. Es war der gewöhnliche Inspektionsritt, den er vor der Nacht zu unternehmen pflegte. Die Vaqueros ließen sich nicht stören und führten Helmers zu dem Hengst.
Dieser lag, an allen vieren gefesselt und mit einem Korb vor dem Maul, am Boden. Die Augen waren ihm vor Wut und Aufregung mit Blut unterlaufen, jede einzelne Ader war zum Zerplatzen geschwollen, und aus dem Maulkorb troff der Schaum in großen Flockentrauben.
„Alle Wetter, das ist ja die reine Sünde!“ rief Helmers.
„Macht es anders, Señor“, meinte der Vaquero, kaltblütig die Achseln zuckend.
„Das ist Tierquälerei. Das darf man nicht leiden. Auf diese Weise wird das edelste Pferd vollständig
Weitere Kostenlose Bücher