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43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas

43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas

Titel: 43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eigentümlich, welchen Eindruck ihre Nähe auf den besinnungslosen Kranken ausübte. Wenn sie ihm ansah, daß er Schmerzen fühlte, ergriff sie seine Hand, und sofort glättete sich sein Angesicht. Drückte sie zuweilen einen leisen Kuß auf seine bleiche Stirn oder seine Lippen, so zog ein freudiges Glänzen über seine Züge, und er schien seine Schmerzen nicht mehr zu empfinden.
    „Siehst du, daß er mich kennt?“ sagte Emma zu der Indianerin.
    „Er sieht dich ja nicht“, antwortete diese.
    „Oh, er fühlt mich. Nicht sein Körper, sondern seine Seele empfindet die Nähe derjenigen, die ihn liebt. O wäre er doch nie nach dem Berg El Reparo gegangen! Wie zürne ich deinem Bruder Tecalto, daß er ihn mitgenommen hat!“
    „Tecalto meinte es gut! Er wollte ihm den Schatz der Könige zeigen und ihm davon schenken.“
    „Und diesen Schatz wolltest du dem Grafen geben!“ sagte Emma bitter.
    „Kannst du mir nicht verzeihen?“ bat die Indianerin.
    „Ich verzeihe dir, denn ich weiß, daß die Liebe mächtiger ist als alles. O wenn er doch nur wieder gesund würde!“
    „Das Kraut Oregano wird ihm Hilfe bringen. Aber willst du nicht in die Säcke blicken?“
    „Nein. Tue du es. Ich mag nicht sehen, was diesem Alfonzo gehört.“
    Man hatte nämlich bei den Leichen der beiden Diener die Effekten des Grafen gefunden. Sie bestanden in zwei ziemlich gut gefüllten Reitsäcken, die die Indianerin jetzt öffnete. Sie fand nichts Auffälliges, bis sie auf den Boden des letzten Sackes kam. Dort lag ein Brief, der anscheinend aus der Tasche eines der Kleidungsstücke gefallen war, die der Sack enthielt. Sie las die Adresse. Es war diejenige des Grafen Alfonzo, dann las sie auch den Brief. Es war derselbe, den die Estafette gebracht hatte. Nun warf Karja rasch einen Blick auf die Freundin, und als sie bemerkte, daß diese nur acht auf den Kranken gab, steckte sie den Brief schnell zu sich. –
    Die mexikanischen Pferde sind von großer Ausdauer und Schnelligkeit. ‚Bärenherz‘ und der Vaquero flogen auf ihren Tieren wie der Wind dem Norden zu. Sie erreichten noch vor Abend die Stelle, wo sie bei der Rückkehr von der Reise mit den beiden Damen ihr letztes Nachtlager gehalten hatten, und rasteten nicht, sondern verfolgten den Weg immer fort, den sie damals gekommen waren.
    Da, der Abend begann bereits hereinzubrechen, hielt der Apache plötzlich sein Tier an und blickte zu Boden, und der Vaquero tat dasselbe.
    „Was ist das hier?“ fragte letzterer. „Das sind ja Spuren!“
    „Von vielen Reitern!“ nickte der Apache.
    „Sie kommen von Norden her!“
    „Und sind nach Westen eingebogen.“
    „Sehen wir die Spuren genauer an!“
    Sie stiegen ab und untersuchten die Hufeindrücke sehr sorgfältig.
    „Es sind viele“, sagte der Apache.
    „Wohl zweihundert“, fügte der Vaquero hinzu.
    Der andere nickte zustimmend und deutete dann auf einen Hufeindruck, dessen Kanten noch ganz scharf gezeichnet waren.
    „Ja“, meinte der Vaquero mit besorgter Miene. „Wir können von Glück sagen. Sind vor kaum einer Viertelstunde hier gewesen.“
    Der Apache richtete sich rasch vom Boden auf.
    „Vorwärts! Ich muß sie sehen!“
    Nun bestiegen sie ihre Pferde wieder und folgten der Fährte. Diese führte tief in die Sierra hinein, und gerade, als das letzte Licht des Tages verglomm, erblickten sie auf dem Kamm einer vor ihnen liegenden Höhe eine dunkle Schlangenlinie, die aus Reitern bestand.
    „Comanchen!“ sagte der Apache.
    „Ja, richtig! Donnerwetter, die haben es auf die Hacienda abgesehen!“
    „Sie verbergen sich bis morgen in den Bergen“, entgegnete der Häuptling.
    „Was tun wir?“
    „Mein Bruder kehrt sogleich zurück, um dem Haziendero zu melden, daß der Feind kommt.“
    „Und du?“
    „‚Bärenherz‘ bleibt auf der Fährte des Feindes. Er muß wissen, was sie tun.“
    Damit drehte der Apache sich um und ritt weiter, ohne sich darum zu kümmern, ob der Vaquero seiner Weisung Folge leistete.
    „Per dios!“ murmelte dieser. „So ein Indianer ist doch ein eigentümlicher Mensch! Wagt sich an zweihundert Comanchen! Stolz wie ein König. Er sagt, was ich tun soll, und reitet fort, ohne nur Abschied zu nehmen oder zu sehen, ob ich ihm auch gehorsam bin.“
    Dann wandte er sein Pferd wieder dem Süden zu und ritt denselben Weg zurück, den er gekommen war.
    Es galt, die schlimme Nachricht so schnell wie möglich nach der Hacienda zu bringen. Darum strengte er sein Pferd an, und es war kaum

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