43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
habe.“
„Wieviel ist es?“
„Ich werde es dir aufschreiben. Aber, vor allen Dingen, wie steht es hier mit der Erbschaft?“
„Du bist der Universalerbe.“
„Ist das Testament eröffnet?“
„Ja. Ich soll den Präsidenten benachrichtigen. Wenn du da bist, will er kommen und die Sache ordnen.“
„So sende gleich zu ihm.“
„Fast wäre uns das Erbe entgangen. Don Ferdinando hatte ein zweites Testament gemacht.“
„Hole ihn der Teufel! Wie kam dies?“
Cortejo erzählte es. Als er geendet hatte, sagte Alfonzo:
„Diese Amme muß man zum Teufel jagen!“
„Das wäre dumm, denn sie würde reden. Man muß sie vollständig unschädlich machen.“
„Das soll heißen?“
„Man stopft ihr den Mund durch Geschenke, oder man läßt sie auf irgendeine Weise verschwinden.“
„Ich habe keine Lust, ein solches Weib noch zu beschenken.“
„So tun wir also das zweite. Jetzt aber hast du zunächst eine heilige Pflicht zu erfüllen.“
„Welche wäre das?“
„Da fragt dieser Mensch, welche Pflicht er hat!“ lachte Cortejo. „Bedenke doch, daß du der Neffe des verstorbenen Grafen bist. Was sollen die Diener sagen, wenn du dich um den Toten nicht bekümmerst.“
„Du meinst, ich soll mir die Leiche ansehen?“
„Ja.“
„Ein wenig weinen?“
„Natürlich!“
„Wohl gar am Sarg beten?“
„Das versteht sich.“
„Gut, ich werde diese saure Arbeit auf mich nehmen. Zuvor aber werde ich dir eins sagen. Es betrifft Josefa.“
„So sprich!“ versetzte Cortejo erwartungsvoll.
„Was hatte dieser überschwengliche Empfang heute zu bedeuten?“
„Überschwenglich? Das habe ich nicht gefunden. Soll die Cousine sich nicht freuen, wenn der Cousin zurückkehrt?“
„Das war nicht cousinenhaft. Ich glaube, das Mädchen ist verliebt in mich!“
„Ich glaube es auch“, sagte Cortejo kalt.
„Ah! Und du verbietest es ihr nicht?“
„Ich kann es ihr nicht verbieten, weil sich die Liebe aus keinem Verbot etwas macht!“
„Aber du siehst doch ein, daß sie hier nicht am Platz ist!“
„Nein, das sehe ich nicht ein.“
„Nicht? Ah! Du meinst also vielleicht gar, Josefa und ich könnten ein Paar werden?“
„Ich halte es für möglich.“
„Aber ich nicht“, rief Alfonzo zornig, „denn sie ist bürgerlich!“
„Du auch!“ erklang es scharf.
„Oh, ich bin von heute an Graf Rodriganda.“
„Und sie kann am Hochzeitstag ebenso sagen wie du: Ich bin von heute an Gräfin von Rodriganda.“
„Das wird niemals geschehen.“
„Ihr seid euch ebenbürtig. Dein Grafentum ist kein Grund zu einer Abweisung.“
„Aber sie ist älter als ich, auch nicht schön, ja nicht einmal hübsch.“
„So wird sie keine Anfechtung zur Untreue zu erdulden haben, das ist viel wert, lieber Alfonzo.“
„Sie hat ferner kein Herz und kein Gewissen.“
„Du auch nicht.“
„Nicht einmal Zähne.“
„Sie läßt sich welche einsetzen.“
„Ich halte sie jedes Verbrechens für fähig.“
„Wir dich auch.“
„Hole euch der Teufel!“ rief Alfonzo grimmig.
„Wenn er uns holt, so nimmt er dich auch mit“, entgegnete Cortejo ruhig. „Wir gehören zusammen. Ja, wir sind vor dem Gesetz alle drei verschiedener Verbrechen schuldig, und Verbrechen bindet mehr als Tugend. Du wirst nie in deinem Leben dich von uns lossagen können, das merke dir.“
„Und wenn ich es dennoch tue?“
„So bist du verloren.“
„Und ihr mit.“
„Ich glaube das nicht. Es kommt sehr auf die Art und Weise an, wie man solche Dinge angreift.“
„Ich kenne diese Art und Weise.“
„Wir auch. Wenn du vernünftig nachdenkst, so wirst du finden, daß wir dir überlegen sind. Was du bist, das bist du durch uns. Du stehst und stürzt mit uns. Übrigens wollen wir dieses Thema fallenlassen.“
„Und zwar für immer, hoffe ich.“
„Wenigstens für jetzt. Gehe zu deinem Oheim und versuche deine Rolle gut zu spielen.“
Das erste Wort in Beziehung auf Josefa war gesprochen. Alfonzo war nun vorbereitet, er wußte, was man von ihm wollte, und nun stand es bei ihm, sich für oder gegen sie zu entscheiden.
Er spielte am Sarg des Grafen den über alle Maßen Betrübten, und seine Tränen flossen so reichlich, daß die Diener Mitleid mit ihm fühlten. Übrigens wurde er bald gestört, denn es kamen Leute, die sich den Toten ansehen wollten. Es ist in Mexiko Sitte, daß in solchen Fällen jedermann Zutritt hat. Man treibt ein förmliches Schaugepränge mit der Leiche, und so kamen Vornehme und Geringe, um die
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