43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
mit ihm reden, Marie. Du sollst erfahren, was er gesagt hat.“
„Ja?“
„Gewiß.“
Cortejo ging, indem er einen leisen Fluch zwischen den Zähnen murmelte. Dieses Weib konnte ihm noch viel zu schaffen machen. –
Am anderen Morgen wurde Graf de Rodriganda beerdigt. Die ganze Hautevolee beteiligte sich dabei. Don Ferdinando wurde auf dem Friedhof in seinem Begräbnis beigesetzt, das er für sich hatte erbauen lassen. Graf Alfonzo wurde trotz seiner zur Schau getragenen Betrübnis viel beneidet, und nur die reinen Ehrenmänner hätten nicht mit ihm getauscht.
Nach der Beerdigung herrschte tiefe Ruhe im Haus. Alfonzo saß auf dem Diwan und dachte darüber nach, wie er seinen Reichtum nun am besten genießen könne, da wurde die Tür leise geöffnet, und – Josefa trat ein.
Er erhob sich in höchster Überraschung; ein solches Wagnis schien ihm unbegreiflich.
„Du?“ fragte er. „Was willst du?“
„Dich sprechen“, antwortete sie kurz.
„Konntest du dich nicht anmelden lassen?“
„Läßt du dich anmelden, wenn du zu uns kommst?“
„Das ist ein anderer Fall! Was soll die Dienerschaft sagen, wenn sie sieht, daß du zu mir schleichst!“
„Daß wir verwandt sind“, erwiderte sie höhnisch.
„Du! Bist du toll?“
„Still! Ereifere dich nicht. Es weiß noch niemand, aber es ist sehr leicht möglich, daß sie es erfahren, und zwar von mir.“
„Du beliebst zu scherzen!“
„Ich spreche im Ernst, wenn ich auch bei schlechter Laune bin.“
„Willst du wohl die Güte haben, mir zu sagen, wer oder was dich in diese Laune versetzt hat?“
Josefa blickte den Frager zornig an und antwortete:
„Erstens der Umstand, daß du nicht die Höflichkeit hast, mir einen Sessel anzubieten.“
„Setze dich! Und zweitens?“
„Zweitens hast du mich fürchterlich beleidigt!“
„Beleidigt? Und sogar fürchterlich? Das ist schlimm, leider aber bin ich mir nichts davon bewußt.“
„Hast du nicht gesagt, ich sei häßlich und alt, hätte kein Herz und wäre zu jedem Verbrechen fähig?“
„Alles dies habe ich allerdings gesagt.“
Alfonzo sprach diese einsilbigen Antworten in einem kurzen, beinahe lustigen Ton. Josefa aber wurde immer bleicher vor Grimm, und ihre Eulenaugen bohrten sich drohend in die seinigen, als sie ihn zornig fragte:
„Darf ich annehmen, daß du dies im Scherz sagst?“
„Nein.“
„So war es Ernst, wirklicher Ernst?“
„Gewiß! Dein Vater, die alte Plaudertasche, kann es mir bezeugen.“
„Ah, welch eine neue Beleidigung!“ rief sie, indem sie die dürren Hände zur Faust ballte.
„Willst du mich fordern?“ lachte er.
„Nein, denn du wärst so feig, nicht zu kommen. Soll ich dir beweisen, daß ich ein Herz habe?“
„Ja.“
„Hat man ein Herz, wenn man liebt?“
„Natürlich, vorausgesetzt jedoch, daß man mit dem Herzen liebt.“
„Nun wohlan, ich liebe mit dem Herzen, und zwar dich selbst.“
Es war nicht etwa ein inniger, warmer Blick, den Josefa ihrem Vetter bei diesen Worten zuwarf, sondern ein funkelnder Katzenblick, etwa wie der eines Panthers, der im Käfig steckt und sich doch auf jemand werfen möchte.
„Mich?“ fragte er, laut lachend. „Das ist amüsant. Ich habe übrigens ganz und gar nichts dagegen.“
„Das ist deine einzige Antwort?“
„Willst du noch mehr Antworten? Zwei oder gar drei?“
Als Josefa hörte und sah, daß Alfonzo sich über sie lustig machte, zuckten ihre Finger und krallten sich zusammen, als ob sie ihm das Gesicht zerreißen und zerkratzen wolle. Vor Zorn zischend, entgegnete sie:
„Hast du einmal etwas von Gegenliebe gehört?“
„Freilich“, erwiderte er. „Ich habe sogar Gegenliebe gefühlt und gefunden, viele, viele Male!“
„So weißt du, daß zur Liebe Gegenliebe gehört?“
„Ja.“
„Nun wohl, ich verlange Gegenliebe von dir!“
„Pah, du bist toll!“
„Oh, ich bin sehr bei Sinnen, aber es ist möglich, daß ich noch toll werde!“ sagte sie.
„Probiere es doch einmal.“
„Wünsche das ja nicht, denn ich würde dich zerreißen.“
„Hm, die Krallen hättest du in der Tat dazu“, meinte er mit schneidendem Hohn.
„Alfonzo!“ knirschte sie da auf. „Also du liebst mich nicht?“
„Nein, Cousinchen. Du wirst auch nie im Leben einen finden, der sich in dich verlieben möchte.“
Ein jedes seiner Worte war ein spitzer, barbarischer Dolchstoß für sie; sie bezwang sich aber.
„Warum?“ fragte sie. „Hast du bereits einmal gehört, daß man sich Liebe erzwingen
Weitere Kostenlose Bücher