43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
Pracht der Ausstattung sich anzusehen.
Cortejo stand nach einiger Zeit eben im Begriff, einmal sich in dieses Gewühl der Neugierigen zu mischen, um irgend etwas im Saal zu besorgen, als ein Mann aus demselben trat, bei dessen Anblick er bis in das Innerste erschrak. Es war ein Indianer mit einer scharfen Habichtsnase, auf der eine monströse Brille saß – Benito, der Giftdoktor.
Auch er sah Cortejo und trat sofort auf ihn zu.
„Nun“, sagte er, „habe ich Euch betrogen, Señor?“
Der Sekretär zog ihn sofort in ein leeres Zimmer.
„Unglückseliger“, erwiderte er, „was habt Ihr hier zu suchen?“
„Nichts. Ich sehe gern Leichen an“, antwortete der Indianer sehr ruhig.
„Aber wie kommt Ihr hierher?“
„Hm, ich kannte Euch schon längst. Ich ahnte, wer das Gift bekommen sollte, und kam nun, um zu sehen, ob die Gabe gut war.“
„Nun?“
„Sie war richtig.“
„Wann wird er erwachen?“
„In sechs Tagen, er hat jedoch schon jetzt sein volles Bewußtsein.“
„Mein Gott, so hört er, was um ihn vorgeht?“
„Ja, er kann selbst mit dem einen Auge, das Ihr nicht ganz zugemacht habt, sehen.“
„Aber das ist ja gefährlich!“
„Das ist Eure Sache, Señor. Ich sehe Euch nicht in die Karte, aber wenn es Euch einmal gutgehen sollte, so vergeßt den armen Benito nicht!“
Der Indianer sprach diese Worte mit einem Augenwink, der nicht beredter sein konnte, und schlüpfte dann zur Tür hinaus. Cortejo folgte ihm. Draußen ging gerade Alfonzo vorüber.
„Wer war der Kerl? Was hattest du mit ihm?“ fragte er, da gerade niemand zugegen war.
„Alle Wetter, hatte ich jetzt einen Schreck!“ antwortete Cortejo.
„Worüber?“
„Eben über diesen Menschen. Es war Benito.“
„Benito? Welcher Benito?“
Der Sekretär war noch immer ziemlich fassungslos. Er antwortete, nachdem er sich umgeblickt hatte:
„Der Giftdoktor.“
„Donnerwetter! Von wem das Mittel war? Hast du ihm denn gesagt, wer du bist?“
„Nein, er hat mich gekannt.“
„Ahnt er, wer das Gift bekommen hat?“
„Er weiß es nun sogar.“
„Das ist schlimm. Ist er verschwiegen?“
„Wer kann auf die Verschwiegenheit solcher Leute rechnen?“
„Er wird sich wie ein Blutegel an dich hängen.“
„Ich werde ihn abschütteln.“
„Abschütteln und zertreten, das ist das beste.“
„Übrigens habe ich etwas von ihm erfahren, was mir große Sorge machen wird.“
„Was?“
„Der Graf ist bei Besinnung.“
„Nicht möglich.“
„Er hört und sieht alles.“
„Das ist schrecklich“, sagte Alfonzo. Dann aber flog ein höhnisches Lächeln über sein Gesicht, und er fuhr fort: „So möchte ich wissen, was er gedacht hat, als er mich weinen und jammern hörte!“
Da kam ein Diener herbeigeeilt und meldete, daß der Präsident den Grafen zu sprechen wünsche. Alfonzo ließ den Beamten zu sich bescheiden und nahm Cortejo mit. Die Erbschaftsangelegenheit wurde zur größten Zufriedenheit geordnet. Er war nun der Besitzer von Millionen.
Am Abend, als alles zur Ruhe gegangen war und nur die Klagefrauen bei dem Toten wachten, öffnete sich eine Hinterpforte des Palastes, und es wurden drei Pferde herausgeführt. Zwei trugen Reitsättel, und das dritte war mit Waffen und anderen Dingen hoch bepackt. Alfonzo und Cortejo stiegen auf und verließen auf finsteren, unbelebten Straßen die Stadt.
Sie wandten sich nach den Bergen, die im Norden der Stadt liegen, und kamen nach einem Ritt, der über eine Stunde währte, in ein enges Tal, in dem ein kleines Feuer brannte, aber niemand zu bemerken war.
Die Indianer hatten sich vorsichtigerweise zurückgezogen, um zu sehen, wer die Nahenden seien. Als sie Alfonzo erkannten, kamen sie herbei.
„Mein weißer Bruder hält Wort“, sagte der Anführer.
„Was ich verspreche, das gilt“, antwortete Alfonzo stolz.
„Wer ist der andere weiße Mann?“
„Mein Freund.“
„So mag er die Pfeife des Friedens mit uns rauchen.“
„Ist das nicht zu umgehen? Wir haben keine Zeit.“
„Zur Pfeife des Friedens ist stets Zeit. Wer sie nicht mit uns rauchen will, ist unser Feind. Und was der Mann tut, das muß er mit dem Nachdenken des Geistes tun.“
Es blieb den beiden nichts anderes übrig, sie mußten sich in die indianische Sitte fügen.
Man setzte sich also auf die Erde, brannte die Pfeife an und ließ sie von Hand zu Hand gehen. Dann erst fragte der Anführer:
„Meine Brüder haben uns alles mitgebracht, und zwar Gewehre, Messer, Blei und
Weitere Kostenlose Bücher