44 - Die Intrige von Antares
erhobenem Kopf. »Ich werde unverzüglich aufbrechen. Und das ist mein letztes Wort.«
Wir, also die junge Tempeltänzerin und zwei Kregoinye, standen auf einer der hohen Terrassen von Prinzessin Nandishas Palast, der sich hoch oben über Oxonium befand. Die Prinzessin und ihre Kinder hielten sich in ihren Gemächern auf und erholten sich von den Strapazen ihrer schweren Reise. Fweygo warf mir einen Blick zu.
»Einer von uns muß aber bei der Prinzessin bleiben.«
»Ich gehe mit ...« Ich konnte nicht zu Ende reden, da ich rüde unterbrochen wurde.
»Ich bin durchaus in der Lage, allein zu gehen«, fauchte Tiri. »Ich brauche kein Kindermädchen.«
Ich schaute auf die Stadt, die in das strömende und vermischte Licht der Zwillingssonnen getaucht wurde. Oxonium war ein faszinierender Ort voller Widersprüche, der sich in einem einzigartigen engen Talkessel befand. Die Bewohner lebten in Luxus und Pracht auf den Plateaus einer Reihe von steilen, hohen Hügeln. Zwischen diesen Hügeln verliefen Kanäle; einige führten Wasser zum Zentralhügel, an dessen Fuß sie sich vereinigten. Andere wiederum waren voller Morast. Doch dann gab es auch viele, die man trockengelegt hatte. Das waren die Gräben, wie sie von den Hügelbewohnern genannt wurden. Hier befanden sich die Hütten der Sklaven und Armen. Das Licht der Sonnen erreichte den Grund der Gräben nur um die Stunde des Mid herum.
Das vielleicht ungewöhnlichste Merkmal Oxoniums waren jedoch die miteinander verbundenen Seilbahnen, die sich von einem Hügel zum anderen erstreckten. Die Tragseile ruhten auf gewaltigen Stützen, die in regelmäßigen Abständen über den Talboden verteilt waren. Als ich mich leise danach erkundigt hatte, warum die Armen und Sklaven, die den Reichen nichts als Haß entgegenbrachten, diese Stützen denn nicht niederbrannten, erhielt ich eine einfache und brutale Antwort. In diesem Fall würden sich die Reichen zusammentun, in die Gräben steigen und die Hütten niederbrennen – mitsamt ihren Bewohnern.
Also hatte sich ein Gleichgewicht gefunden, wie so oft auf Kregen.
Ein paar Schweber flogen über die Stadt, doch es waren nicht viele. Dafür segelte eine große Anzahl von Luftsegelschiffen mit ihren bunten Segeln vorbei, die das Licht der Sonnen widerspiegelten. Diese Ovverers tauchten einen aus ätherisch-magnetischen Kräften bestehenden Kiel in jene geheimnisvolle Auftriebskraft, für die fünf der in den Silberkästen befindlichen Mineralien sorgten. Da diesen Luftseglern die restlichen vier Mineralien fehlten, die einem Schweber Antrieb verleihen, konnten sie sich nur mit der Kraft des Windes fortbewegen. Die Ovverer segelten über die gewundenen Seilbahnen hinweg, die sich von einem Hügel zum anderen erstreckten, und sorgten für einen regen Verkehr über den Flüssen und Palastmauern. Es bot sich ein prächtiges und faszinierendes Bild. Die verschiedenen, so unterschiedlichen Transportsysteme warfen viele Fragen auf.
Fweygo sagte: »Ich halte es für besser, wenn Drajak dich begleitet, Tiri.«
Sie schmollte. »Ich muß doch bloß einen Calimer nehmen.« So wurden die Seilbahnkabinen bezeichnet. »Das kostet nur ein paar Kupferstücke. Ich muß nicht einmal die Kabine wechseln, denn der Palast der Prinzessin befindet sich direkt neben dem Großen Hügel. Ich bin doch kein Kind mehr.«
»Cymbaro behüte!« sagte ich, und ich muß demütig zugeben, daß ich sie dabei schon etwas auf den Arm nahm. Sie wurde knallrot.
Wäre sie meine Kregoinye-Kameradin Mevancy gewesen, dann hätte diese Röte Zims Sonnenuntergang Konkurrenz gemacht. Außerdem hätte sie gesagt: »O du!«
Tiri sagte: »Wenn du schon darauf bestehst, mich zu begleiten, vergiß nicht, daß ich eine Dame bin.«
Fweygo pfiff fast lautlos vor sich hin und sagte nichts. »Dann akzeptiere auch als Dame die Ehrenbegleitung eines Herrn«, erwiderte ich.
Diese Auseinandersetzung war ganz nett und völlig belanglos – dachte ich zumindest.
Sie nickte. »Also gut. Machen wir uns auf den Weg.«
Ich interessierte mich sehr für das Seilbahnsystem. Die Antriebswinden befanden sich in einem kleinen Gebäude am Rand des Plateaus. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dort eine Gruppe abgemagerter, schmutziger Sklaven vorzufinden, die mit der Peitsche und dem verhaßten, bösartigen ›Grak!‹ angetrieben wurden. Statt dessen befand sich dort ein sauber gepflasterter Kreis, in dem Calsanys unaufhörlich um die Winde getrieben wurden. Ein paar Leute warteten bereits auf
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