44 - Die Intrige von Antares
des Stroms würde wieder an den ihm zustehenden Platz zurückfinden, und wenn es meine letzte Tat sein sollte. Dann erkannte ich die lächerliche Schwülstigkeit dieser Prahlerei. »Ich bin froh, dich zu sehen, Amak. Diese Blintze wurden zur Plage.«
»Alle Plagen landen in den Eisgletschern von Sicce, wenn Hanitcha der Verheerende ihre Zeit für gekommen hält. Nun sag aber, was hat dich an diesen Ort gebracht?«
Palfrey der Pfiffer kam heran. Sein Kurzschwert war verdächtig sauber für einen treuen Diener, der seinem Herrn in einem Kampf beigestanden hatte. »Sie sind alle geflohen, Notor.«
»Palfrey«, sagte ich und nickte ihm zu. »Was meine Anwesenheit an diesem Ort betrifft, so handelte es sich um Tempelangelegenheiten.«
Paylen hörte mir gar nicht zu. »Hat man sie verfolgt?« verlangte er tyrannisch zu wissen.
»Oh, aye, Herr.« Palfrey klang gekränkt. »Darum kümmert sich Nath der Iarvin und seine Leute.«
Dagert nickte. Er hörte auf, sein Rapier zu polieren, und steckte es weg. Dann strich er sich charakteristischerweise mit dem schlanken Zeigefinger über den bleistiftdünnen schwarzen Schnurrbart.
»Sie haben etwas mitgenommen, das mir gehörte ...«, sagte ich und wurde dann von dem Geräusch heraneilender Schritte, dem Geraschel von Röcken und einer atemlosen Stimme unterbrochen. »Cymbaro sei Dank!« stieß Tiri hervor. »Ich dachte schon, du wärest tot!«
Sie hielt noch immer das Schwert in der Hand, und die Klinge war blutig. »Ich bin froh, dich heil zu sehen«, sagte ich recht trocken. »Der San und der junge Edelmann?«
»In Sicherheit. Dank ...« Ihr Blick verweilte auf Dagert.
Ich machte das nötige Pappattu, um sie einander vorzustellen, und fragte mich beiläufig, ob es einer Tempeltänzerin gestattet war, einen Amak zu heiraten. Und wenn es möglich war? Doch das war nicht meine Sache. »Anscheinend bist du nicht einmal im Schrein sicher«, sagte ich Tiri.
»Der junge Edelmann ist in Sicherheit?« fragte Dagert.
»Ja, Notor.«
Mich beschäftigten nur zwei Gedanken. Erstens: Tiri mußte zurück in Nandishas Palast, um ihrer eigenen Sicherheit willen. Zweitens: Ich mußte mich auf die Spur von Strom Kordens Schwert setzten, und zwar schnell. Sein Verlust war ärgerlich.
Plötzlich ertönte das Getrampel eisenbeschlagener Stiefel, die den nächsten Akt des Dramas einläuteten. Wir wurden von waffenstarrenden Männern in vollständiger Rüstung und mit harten, gebräunten Gesichtern eingekreist. Ein Hikdar trat vor. Es war alles sehr förmlich. Er sprach mich an.
»Bist du Drajak, der auch als der Schnelle bekannt ist?« Ich nickte. »Du wirst dich zu meiner Verfügung halten.« Er wandte sich seinen Männern zu. »Führt ihn ab!«
11
»Also, Drajak, den man auch den Schnellen nennt, wo ist es? Gib es sofort heraus!«
Ich stand in einem Saal mit Parkettboden und wurde von bewaffneten Wachen umgeben, die alle ausgesprochen beeindruckend aussahen. Vor mir befand sich ein großer Thron, und auf dem saß ein Adliger, den es nur ein Fingerschnippen kosten würde, mich einen Kopf kürzer machen zu lassen.
Ich saß, wie man in Clishdrin sagt, bis zum Hals darin. Die Waffenträger hatten sich als Mischung aus Stadtwache und Gefolge eines bestimmten Adligen entpuppt. Man konnte den Unterschied an ihren Abzeichen und Insignien ablesen. Ich war an den verschwenderischen Bauten Oxoniums vorbeigeführt worden; überall flatterten die Kaotreshes im Wind. Es war nicht erforderlich gewesen, den Großen Hügel zu verlassen, da der Palast des Adligen in der Nähe des Königspalastes stand. Der König und der Adlige besaßen ihre private Seilbahn, die zwischen zwei Türmen verlief, die jeweils aus den Außenmauern herausragten. Die Bahn überspannte den künstlich angelegten Burggraben, der den königlichen Palast umgab. Ich befand mich hier in einflußreicher Gesellschaft.
Der Hikdar des Kommandos, Tygnam ti Fralen, versetzte mir einen aufmunternden Stoß mit dem Ortband seiner Schwertscheide. Der Adlige hielt eine Hand hoch.
»Laß ihm Zeit zum Antworten, Hikdar Tygnam.«
»Quidang, Notor!«
Ich entspannte mich. Der diensteifrige Hikdar hatte mich völlig korrekt behandelt, und obwohl ich ihm nur allzugern einen kräftigen Tritt an der Stelle versetzt hätte, wo es wirklich weh tat, hatte diese Vorstellung auch etwas Abstoßendes. Was nun das Problem anging, mit dem ich hier konfrontiert wurde, sah ich keine Möglichkeit, mich ihm irgendwie zu entziehen. Auf jeden Fall keine
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