44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
zu dem Lord heran, streckte ihm die Hände entgegen und erwiderte mit einem Leuchten seiner treuen Augen:
„Mylord, das ist mehr als Gastlichkeit. Gott vergelte es Ihnen! Wir kommen!“
„Aber so bald wie möglich, meine Herren! Ich verlasse Sie jetzt, um Ihnen einen Wagen zu senden. Adieu!“
Dann ging der Lord, und Sternau begleitete ihn bis vor die Tür. Als letzterer sein Zimmer wieder betrat, fand er Mariano auf dem Sofa sitzend und mit Tränen in den Augen.
„Was ist Ihnen?“ fragte er besorgt.
„Nichts, mein Freund“, antwortete der Spanier. „Es sind Tränen des Glückes. Ich hatte eine solche Bangigkeit, wie der Lord Amys Eröffnung aufnehmen werde.“
„Nun, Sie sehen, daß er Ihnen wenigstens nicht zürnt, mein Lieber.“
„Ja, und das habe ich Ihnen zu verdanken. Ich ahnte ja, daß er zu Ihnen kam, um sich nach mir zu erkundigen. Zürnen Sie mir ob meiner Tränen nicht. Ein Kranker gibt sich sowohl dem Schmerz, als auch der Freude leichter hin, als ein Gesunder und Freude habe ich, nein, noch mehr: ich fühle mich entzückt und selig darüber, daß dieser Mann mir nicht zürnt, daß er so lieb und mild zu mir gesprochen hat.“
Nach einiger Zeit fuhr eine glänzende Equipage vor, um Sternau, Mariano und Helmers nach dem Palast des Lords zu bringen. Dieser war einer der prächtigsten Palazzos der Stadt und hatte eine Menge der herrlichsten Zimmer. Die drei Gäste erhielten Wohnungen, mit denen ein König hätte zufrieden sein können, und die Bedienung war bemüht, jeden ihrer Wünsche auf das beste und schnellste zu erfüllen.
Mariano konnte nicht ausreiten, und der brave Helmers war kein Pferdebändiger; er hatte während seines Lebens kaum zehnmal auf einem Pferd gesessen, aber der Doktor Sternau mußte bereits am nächsten Tag mit dem Lord auf die Alameda reiten, und dort erregte er nicht geringes Aufsehen.
Der Lord hatte ihm das beste Pferd seines Marstalles anvertraut. Seine hohe, imposante Gestalt zog die Augen aller auf sich, und als er sich, von so vielen Blicken geradezu dazu aufgefordert, nun auch als Reiter kühn und gewandt zeigte, da lächelte Lindsay sehr zufrieden und sagte zu ihm:
„Ich mache Effekt mit Ihnen. Sehen Sie das Fächerspiel der Damen, Herr Sternau?“
„Ich habe meine Dame, Mylord“, antwortete Sternau ernst.
„O, man nimmt es hier nicht so genau!“
„Desto genauer nehme ich es!“
„So beabsichtigen Sie nicht, einen dieser Mexikaner eifersüchtig zu machen?“
„Ich verzichte darauf.“
„Nun, wollen sehen, ob Sie wirklich so hieb- und stichfest sind. Jetzt aber wollen wir die Gelegenheit benützen. Ich werde Sie einigen dieser eleganten Reiter und Reiterinnen vorstellen.“
Dies geschah, und es war den Mexikanern anzusehen, daß sie sich wunderten, daß ein deutscher Arzt eine so noble Haltung besitzen könne. Als die beiden heimkehrten, brachten sie eine ganze Menge Einladungen mit, und in Zeit von nur einigen Tagen sprachen alle Damen der Aristokratie mit Vorliebe von dem ritterlichen Deutschen, der alle Mexikaner tief in den Schatten stellte. – – –
Um diese Zeit war es, als Josefa Cortejo in ihrem Zimmer auf der Hängematte lag. Sie rauchte eine jener Zigaretten, die die Mexikanerinnen so außerordentlich lieben, und hatte ein Buch in der Hand, in dem sie aber nicht las. Ihre Eulenaugen ruhten nicht auf den Buchstaben, sondern sie blickte wie abwesend in die weite Ferne. Sie dachte an Graf Alfonzo, den Geliebten, der ihr vor seiner Abreise die Ehe versprochen hatte, ohne sie doch zu lieben. Sie dachte ferner der schönen, feurigen Spanierinnen, und wie leicht es sei, daß er eine finden könne, die imstande sei, ihn zu fesseln.
Da trat ihr Vater ein, mit Falten auf der Stirn und einem Brief in der Hand. „Hast du Zeit?“ fragte er.
„Für Wichtiges immer“, antwortete sie.
„Es ist wichtig.“
„Für dich?“
„Auch für dich! Die Post ist angekommen, und unter den übrigen Sachen finde ich einen Brief meines Bruders.“
Im Nu sprang Josefa aus der Hängematte und streckte die Hand nach dem Brief aus.
„Gib her! Wie steht es drüben?“
„Hm! Schlecht und gut! Alfonzo ist in Paris und auch in Deutschland gewesen.“
„Ah! Was wollte er dort?“
„Dieses schlimmen Doktor Sternaus wegen. Dieser Mensch ist doch nur unseres Unheils wegen nach Spanien gekommen. Er ist unser ärgster Feind und schlimmster Gegner.“
Josefas Augen zogen sich verächtlich zusammen.
„Pah, ein Doktor! Wer soll ihn fürchten!“
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