44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
ihre Pferde draußen zwischen den Höhen herum. Bei der Rückkehr kamen sie an einer Mauer vorüber, wobei der Engländer sagte:
„Endlich kann ich Ihnen heute mein Wort halten.“
„Wegen des Erbbegräbnisses, Mylord?“
„Ja.“ Der Lord erhob sich im Sattel und zeigte über die Mauer hinüber. „Sehen Sie da drüben das Mausoleum?“
„Das mit den korinthischen Säulen?“
„Ja. Es ist das Erbbegräbnis, in dem Ferdinando Rodriganda begraben liegt.“
„Darf man eintreten?“
„Warum nicht? Die Pforte des Friedhofes ist bei Tage stets geöffnet.“
Sie stiegen von ihren Pferden und traten ein. Da mehrere Besucher vorhanden waren, so taten sie, als ob ein anderer Zweck sie herbeigeführt habe, und näherten sich später wie zufällig dem Mausoleum. Der Eingang zu demselben war durch eine Gittertür verschlossen, doch reichte das Gitter nicht hoch empor. Es ließ oben einen offenen Raum, sodaß man übersteigen konnte.
„Wissen Sie gewiß, daß dies das gesuchte ist, Mylord?“ fragte Sternau.
„Ja, ich habe es mir genau beschreiben lassen.“
„So ist es uns nicht schwer gemacht, hier einzudringen. Gehen wir wieder fort!“
„Wann werden Sie es tun?“
„Gleich heute abend. Wollen Sie dabei sein?“
„Ich danke. Ich bin der Vertreter einer Nation und muß sehr vorsichtig sein.“ –
Am Abend, kurz vor Mitternacht, schritten drei Männer diesem Friedhof zu. Es war zwei Tage nach Neumond und also nicht sehr hell. Bei der Mauer angekommen, stiegen sie über dieselbe hinweg. Es waren Sternau, Mariano und Helmers. Mariano hatte sich während der acht Tage so weit erholt, daß er dieses Abenteuer mitmachen konnte.
„Bleiben Sie hier stehen“, flüsterte Sternau. „Ich will erst sehen, ob wir sicher sind.“
Er suchte den Friedhof sorgfältig ab und kehrte erst dann zu den Gefährten zurück, als er sich überzeugt hatte, daß keine Gefahr der Entdeckung vorhanden war.
„Jetzt kommen Sie hinter mir her, aber leise.“
Auf diese seine Worte setzten sie sich in Bewegung. Bei dem Mausoleum angelangt, schwang er sich zuerst über die Gitterpforte, und dann folgten die anderen. Nun standen sie vor einem starken Zinndeckel, der die Öffnung des Gewölbes bedeckte.
„Dieser Deckel muß aufgeschraubt werden!“ sagte Sternau.
Er hatte sich am Tag alles genau angesehen und infolgedessen für drei Schraubenschlüssel gesorgt. Die drei Männer arbeiteten eine Zeitlang leise und unhörbar, dann gab der Deckel nach und ließ sich abnehmen. Eine schmale Treppe führte hinab. Sie stiegen hinunter. Einer hinter dem anderen. Sternau war der vorderste und tastete umher, bis er an einen Sarg stieß.
„Hier steht der Sarg“, meldete er. „Helmers, brennen Sie die Blendlaterne an, aber vorsichtig, daß kein Lichtschein in die Höhe dringt!“
Helmers folgte dem Gebot, und nun sahen sie bei dem kleinen Strahl der Laterne den Sarg vor sich. Es war der einzige, der in dem Gewölbe stand.
„Was werden wir sehen?“ flüsterte Mariano.
„Entweder nichts oder die Überreste Ihres Oheims Ferdinando“, antwortete Sternau.
„Mir graut!“
„Fürchten Sie sich?“
„Nein“, antwortete Mariano. „Aber bedenken Sie meine Lage. Der geraubte Neffe steht vor dem Sarg seines Onkels.“
„So fassen Sie sich. Es ist kein Leichenraub, keine Grabschändung, die wir begehen. Wir stehen hier als Vertreter des forschenden Gerichtes, und was wir tun, das können wir vor Gott und unserem Gewissen verantworten.“
„Es ist ein Eichensarg“, meinte Helmers.
„In welchem der eigentliche Zinnsarg stehen wird“, fügte Sternau hinzu. „Er ist zugeschraubt. Öffnen wir!“
Sie setzten abermals die Schraubenschlüssel an. Die Schrauben knirschten in dem Holz, sie gaben nach und wurden herausgezogen. Nun konnte der Deckel abgenommen werden, und kam wirklich der Zinnsarg zum Vorschein. Auch er war mittels Schrauben verschlossen, die herausgedreht werden mußten. Als dies geschehen war, blickten sich die drei Männer gespannt an. Sie standen vor der Enthüllung eines Geheimnisses, und das erweckte in jedem ein Gefühl, das erst bemeistert werden mußte.
„Nun in Gottes Namen fort mit dem Deckel!“ sagte Sternau.
Dann griff er zu und hob den Deckel in die Höhe, er entschlüpfte seiner Hand und fiel wieder nieder. Das gab einen dumpfen grausigen Ton in dem tiefen Gewölbe, dessen Finsternis durch das kleine Licht der Laterne nur noch mehr hervorgehoben wurde.
„Es ist, als wehre sich der Tote gegen die
Weitere Kostenlose Bücher