44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
darauf.
„So wie diesem Papier soll es ihnen gehen, wenn Alfonzo nicht Wort hält!“ rief sie voller Wut. „Ich zertrete, ich zermalme sie!“
Sie bildete in ihrem Grimm einen Anblick, der nichts weniger als schön genannt werden konnte. Ihr Vater legte beruhigend die Hand auf ihre Schulter.
„Nur ruhig, noch ist es nicht so weit!“ sagte er.
Josefa warf den Kopf stolz in den Nacken und antwortete:
„Ja, noch ist's nicht so weit, und es soll auch nie so weit kommen! Aber schon, daß sie einen solchen Gedanken hegen können, das ist ein schmählicher Verrat an mir!“
„Auch das nicht!“
„Wieso? Willst du sie etwa in Schutz nehmen?“
„Den Bruder, ja, nicht aber Alfonzo. Gasparino wird gar nichts davon wissen, daß Alfonzo uns sein Wort gegeben hat, gegen ihn also darf sich dein Zorn nicht richten.“
„Aber desto mehr gegen den Treulosen. Ich gebe ihn nicht los. Er ist mein, er ist mein Eigentum, und keine andere soll ihn haben. Ich will Gräfin von Rodriganda werden, und was ich will, das weiß ich auch durchzusetzen, mit allen Mitteln, verstehst du?“
Sie stand wie eine Furie vor dem Vater. Dieser aber erwiderte in möglichster Ruhe:
„Ich werde Gasparino schreiben.“
„Ja, schreibe ihm, und verlange sofortige Antwort.“
„Und wenn er ‚nein‘ sagt?“
„Dann ist er verloren, das schwöre ich dir!“
„Josefa, er ist mein Bruder!“
„Eben deshalb sollte er desto eher auf unseren Willen eingehen, und desto strafbarer ist er, wenn er es nicht tut. Du weißt, daß ich das Testament in der Hand habe.“
„Du wirst es nicht gegen ihn gebrauchen!“
Sie stieß ein höhnisches Lachen aus, trat frech auf den Vater zu und sagte: „Wie kommst du mir vor? Dein Bruder hat einen Sohn, und du hast eine Tochter. Wir alle sind Diebe, Betrüger, ja, auch Mörder geworden, um Rodriganda zu erlangen. Soll es sein Sohn allein besitzen, soll deine Tochter leer ausgehen? Nein, es gehört ihm und mir. Wenn er Graf wird, so werde ich Gräfin, das ist die einzig richtige Lösung der Frage, und davon gehe ich nicht ab.“
Cortejo hielt es für geraten, einzulenken.
„Ich gebe dir ja recht“, sagte er, „nur halte ich es hier nicht für am Platz, dich unnötig zu ereifern. Wir haben ja genug Veranlassung, zunächst an das Nähere zu denken.“
„So? Und was ist denn wohl jetzt das Nähere?“ fragte sie erbost.
„Ich meine dieser Doktor Sternau.“
„Ach so“, sagte Josefa, nun endlich an den ersten Teil des Briefes denkend. „Ja, was sagst du dazu? Also dieser Mensch hat Deutschland verlassen, um den Kapitän Landola zu finden? Pah, ein Arzt, eine Landratte! Macht euch nicht lächerlich!“
„Beurteile die Deutschen nicht falsch. Sie haben harte Köpfe. Sie sind lange Zeit still und geduldig, aber wenn sie einmal einen Entschluß gefaßt haben, so führen sie ihn auch aus.“
„Und du meinst, daß der Sternau, der sich jetzt hier befindet, und jener Sternau ein und dieselbe Person seien?“
„Ich halte es für möglich.“
„So muß man dies untersuchen.“
„Aber wie? Man kann doch nicht bei Lord Lindsay anfragen!“
„Nein“, lachte sie. „Laß mich machen! Ich werde dafür sorgen, daß wir eine Einladung bekommen und ihn sehen.“
„Ist er dir beschrieben worden?“
„Ja.“
„Nun?“
„Er ist ungewöhnlich hoch und stark gebaut, ein Riese unter allen übrigen.“
„Er ist es. Gasparino schrieb uns ja, daß er ein wahrer Goliath sei.“
„Das beweist noch nichts. Sie können Brüder oder sonstige Verwandte sein. Ich habe gehört, daß es in diesen nördlichen Gegenden viele Menschen geben soll, die zum Geschlecht der Riesen gerechnet werden könnten. Es bleibt dabei, ich besorge uns eine Einladung, und das übrige wird sich finden.“ –
Sternau war auf ein solches Zusammentreffen gefaßt. Er konnte sich denken, daß er dem Namen nach Pablo Cortejo bekannt sei, er wußte, daß er der Gegenstand der Unterhaltung sei, und daß auch Cortejo von ihm hören werde, und so war das Verlangen des letzteren, ihn zu sehen, ja vorauszusetzen.
So erwartete er bei jedem Besuch, den er machte, Cortejo zu treffen. Er hatte sich erkundigt und erfahren, daß Cortejo als Vertreter des Grafen Rodriganda auch in höheren Kreisen angenommen werde. Sich ausfragen zu lassen, war seine Absicht nicht. –
Es war bereits eine Woche seit ihrer Ankunft vergangen, als Lindsay den Arzt zu einem ihrer gewöhnlichen Spazierritte aufforderte. Sie verließen die Stadt und tummelten
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