44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
entwerfen, sondern muß erst abwarten und beobachten. Zudem ist es möglich, daß dieser Señor Sternau mich beobachtet, darum dürfen wir uns hier nicht wieder treffen.“
„Wo denn?“
„Hast du Papier und Bleifeder?“
„Nein.“
„Aber schreiben und lesen kannst du?“
„Ja.“
„Hier hast du einige Bogen und auch eine Bleifeder, welche ich dir mitgebracht habe. Wenn man von hier nach der Schlucht des Tigers geht und an den Wald kommt, liegt zwischen den ersten Bäumen ein nicht zu großer Stein. Dorthin werde ich euch des Vormittags, oder wenn es paßt, eure Instruktionen stecken, sie wird unter dem Stein liegen. Und habt ihr mir eine Antwort zu geben, so werde ich sie an demselben Ort finden. Hast du es verstanden?“
„Ja; man braucht kein Gelehrter zu sein, um es zu begreifen. Aber sagen Sie, Señor, was ist das für eine Gestalt, welche dort oben hin- und herläuft?“
„Wo?“
„Auf dem Dach.“
„Ich habe sie noch gar nicht bemerkt. Ah, das ist Emma, die Tochter des Haziendero. Ich werde ihr ein wenig Gesellschaft leisten. Hast du sonst vielleicht noch etwas zu fragen?“
„Nein.“
„So gehe. Aber das merke dir: wenn ihr euch abermals so ungeschickt benehmt wie heute morgen, so ist es aus mit unserem Geschäft. Ich kann keine Dummköpfe gebrauchen. Gute Nacht.“
Als Sternau die beiden letzten Worte hörte, schlüpfte er schleunigst zurück, stieg durch das Fenster wieder ein und verschloß dasselbe. Er hatte genug erfahren: Seine Ahnung hatte ihn nicht betrogen, dieser Rittmeister war als Todfeind zu betrachten; er war von Cortejo beauftragt worden und tat nun sein mögliches, diesen Auftrag zu erfüllen.
Ein Glück war es, daß Sternau das Versteck des Korrespondenten erfahren hatte, denn nun konnte er leicht die Machination seiner Feinde durchkreuzen. Aber, was wollte der Rittmeister jetzt droben auf dem Dach? War das nur eine leichtsinnige Bemerkung gewesen, oder war es ihm ernst, Emma aufzusuchen? Das mußte abgewartet werden.
Sternau sah bald seinen Gegner durch das Tor zurückkehren; er hörte ihn durch den Hausflur eintreten und dann leise, ganz leise die Treppe ersteigen. Nach einigen Minuten öffnete auch er die Tür seines Zimmers geräuschlos und folgte dem Offizier. Mit unhörbaren Schritten stieg er langsam die erste und zweite Treppe empor, welche letztere auf das glatte Dach mittels einer leiterähnlichen Fortsetzung führte. Man trat durch eine Falltür hinaus.
Als Sternau diese letztere erreichte, fand er sie offen. Er steckte vorsichtig den Kopf hindurch und erblickte Emma und den Rittmeister, welche ganz in der Nähe standen.
„Sie wollen mich wirklich fliehen, Señorita?“ fragte soeben der letztere.
„Ich muß fort“, antwortete Emma mit einer Bewegung nach der Tür.
Sternau sah, daß der Rittmeister sie bei der Hand gefaßt hatte und daran festhielt.
„Nein, Sie werden bleiben, Señorita“, entgegnete der Offizier. „Sie werden bleiben und anhören, was ich Ihnen zu sagen habe von meinem vollen Herzen, von meiner unendlichen Liebe und von meinem glühenden Verlangen, Sie an meine Brust zu nehmen. Kommen Sie, Emma, sträuben Sie sich nicht, denn dies würde vergeblich sein!“
„Ich bitte Sie inständigst, lassen Sie mich gehen, Señor“, bat sie in einem Ton, der die Größe ihrer Herzensangst erkennen ließ.
„Nein, ich lasse Sie nicht. Ich muß Ihre Lippen küssen, ich muß Ihr Herz an dem meinigen klopfen fühlen, ich will mit Ihnen verschlungen sein Arm in Arm und Mund an Mund!“
Er versuchte, sie an sich zu ziehen, sie wehrte sich vergeblich und sagte verzweifelnd:
„Mein Gott, soll ich denn um Hilfe rufen!“
Mit einem raschen Schwung stand da auf einmal Sternau neben ihnen.
„Nein, Señorita, das brauchen Sie nicht; die Hilfe ist schon da. Wenn Señor Verdoja nicht sofort Ihre Hand freigibt, fliegt er vom Dach hinab in den Hof!“
„Ah, Señor Sternau!“ stammelte sie erleichtert. „Helfen Sie mir!“
„Sternau!“ knirschte der Rittmeister.
„Ja, ich bin es. Lassen Sie die Dame los!“
Da legte der Offizier nun erst recht seinen Arm um sie und fragte:
„Was wollen Sie hier? Was haben Sie mir zu befehlen? Packen Sie sich, Unverschämter!“
Er hatte dieses Wort kaum ausgesprochen, so sauste die Faust Sternaus durch die Luft, ein fürchterlicher Schlag traf seinen Kopf, und er brach zusammen. Dann wandte sich der Deutsche zu dem Mädchen, welches von dem Offizier fast mit niedergerissen worden wäre:
„Kommen Sie
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