Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
seinem Erwachen nach dem Patienten sehen wollen, war ganz leise eingetreten und hörte die letzten Worte ihrer Unterhaltung, ohne von ihnen bemerkt zu werden. Als sie ihn sahen, war es zum Schweigen zu spät. Er entschuldigte sich und fragte die Indianerin:
    „Wie, auch Sie haben in ähnlicher Weise wie Señorita Emma zu leiden gehabt?“
    „Leider ja“, antwortete sie.
    „Von wem?“
    „Leutnant Pardero fiel mich im Garten an, und als ich entfloh, lief ich dem Kapitän in die Hände, welcher mich fassen wollte.“
    „Schurken!“
    Sternau sagte nur dieses eine Wort, dann wendete er sich zu dem Schlafenden. Als er ihn aufmerksam betrachtete und besonders auch seine ruhigen Atemzüge gezählt hatte, nickte er befriedigt. Er hörte nun, daß der Patient ununterbrochen geschlafen habe; da heiterte sich sein Gesicht noch mehr auf, und er sagte:
    „Lassen wir ihn ruhig schlafen. Schlaf und Ruhe sind die besten und sichersten Mittel zu seiner Wiederherstellung.“
    Er unternahm jetzt einen Morgenspaziergang hinaus nach den Weideplätzen, fing sich eines der Pferde und galoppierte auf demselben eine Strecke in die Savanne hinein; dann kehrte er wieder zurück. Er gab das Pferd frei und schritt zu Fuß der Hacienda zu. Unter dem Tor begegnete ihm der Leutnant Pardero.
    „Ah, Señor Sternau!“ sagte dieser, stehen bleibend und in einem nicht eben höflichen Ton. „Ich habe Sie gesucht!“
    „Weshalb?“ fragte Sternau kurz.
    „Ich muß mit Ihnen sprechen!“
    „Sie müssen?“ meinte der Deutsche in einem verwunderten Ton. „Heißt das vielleicht, daß ich gezwungen bin, Sie anzuhören?“
    „Allerdings“, lautete die spöttische Antwort.
    „Nun ja, ein gebildeter Mann verweigert keinem anderen das Gehör, vorausgesetzt, daß die nötigen Höflichkeiten nicht vernachlässigt werden. Unter dem Torweg erteile ich keine Audienz. Haben Sie mich zu sprechen, so kommen Sie nach meinem Zimmer.“
    Der Leutnant verfärbte sich, trat einen Schritt zurück und sagte:
    „Sie sprechen so hochmütig von Audienzen. Halten Sie sich für ein gekröntes Haupt?“
    „Pah! Ich verstehe Audienz im weiteren Sinn, bei welcher es sich um eine Unterredung zwischen einem höher und einem niedriger gestellten handelt. Sie werden mir doch zugeben, daß unsere Stellungen in bürgerlicher, intellektueller und moralischer Beziehung sich nicht gleich sind. Ich werde dennoch bereit sein, Sie anzuhören.“
    Er wandte sich zum Gehen, doch der Leutnant faßte ihn hastig beim Arm und fragte mit drohender Miene:
    „Meinen Sie etwa, daß ich moralisch unter Ihnen stehe?“
    „Ich meine niemals etwas, sondern ich sage stets nur das, von dessen Wahrheit ich vollständig überzeugt bin. Nehmen Sie übrigens Ihre Hand von meinem Arm, ich liebe derartige Berührungen nicht!“
    Er schüttelte die Hand des Spaniers von sich ab und ging fort. Der Leutnant fühlte sich durch den Ton und den Blick des Deutschen eingeschüchtert; er ließ ihn gehen, verfolgte ihn aber mit flammenden Augen und murmelte:
    „Prahler, das sollst du büßen! Diese Deutschen sind wie die Maulesel; tragen geduldig und ohne Mut und ohne Ehrgefühl die größten Lasten, rappelt es aber einmal in ihrem Kopf, so werden sie störrisch und ungezogen; man kann sie dann nur durch Prügel zähmen. Und dieses Experiment werde ich hier anwenden. Wir wollen doch einmal sehen, ob dieser Sternau so stolz bleibt, wenn er erfährt, um was es sich handelt.“
    Er wartete ein kleines Weilchen und begab sich sodann nach der Wohnung Sternaus. Dieser hatte ihn erwartet; er ahnte, welchen Gegenstand die Unterredung betreffen werde, und empfing den Eintretenden mit einer kalten, aber höflichen Verbeugung.
    „Sie sehen, Señor, daß ich komme“, sagte der Spanier mit einem höhnischen Lächeln.
    Sternau nickte.
    „Zur Audienz“, fügte der Spanier hinzu.
    Sternau nickte abermals, ohne ein Wort zu sagen.
    „Darum hoffe ich, daß ich jetzt Gehör finden werde!“ fügte Pardero jetzt drohend hinzu.
    „Jedenfalls, wenn Sie sich anständig betragen“, antwortete der Deutsche.
    Da brauste der Spanier auf.
    „Herr, haben Sie mich einmal unanständig gesehen?“
    „Kommen wir zur Sache, Señor Pardero!“ sagte Sternau eiseskühl.
    „Gut, wir können ja diesen Gegenstand einstweilen fallen lassen. Aber ich bin nicht gewöhnt, stehend mich zu unterhalten!“
    Er blickte nach einem der vorhandenen Stühle. Sternau tat, als habe er den Blick gar nicht bemerkt, und antwortete mit einem

Weitere Kostenlose Bücher