44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
niedergeschlagen und nach jener Ecke geschleppt. Ich sehe genau, daß er dort gelegen hat. Dann sind sie durch das Fenster gestiegen, haben aber das Haus nicht wieder durch dasselbe verlassen, folglich sind sie durch das Tor fortgegangen. Nach den Palisaden sind sie von Süden her gekommen, folglich sind sie wieder in dieser Richtung hingegangen. Wir wollen sehen.“
Er führte Arbellez zum Tor hinaus und schritt immer nach Süden zu, den Boden genau beobachtend, ohne ein Wort zu sagen. Bei einem Gebüsch angekommen, verweilte er dort längere Zeit.
„Warten Sie hier, bis ich wiederkomme.“
Mit diesen Worten ging er fort und schlug einen großen weiten Bogen um den Ort, an welchem Arbellez stand. Als er zurückkehrte, sagte er:
„Endlich bin ich fertig. Was ich vermutete, ist wahr. Man hat Ihnen Ihre Tochter und mir meine Braut geraubt. Oh, wären wir heute morgen zurückgekehrt, so säße ich den Räubern vielleicht bereits auf dem Nacken. So aber werden sie über einen Tag Vorsprung erhalten.“
Arbellez brach fast zusammen. Er schlug die Hände vor das Gesicht und rief: „O mein Kind, meine Tochter! Wer hat mir das getan?“
„Verdoja und Pardero, keine anderen. Der eine trachtete nach Emma und der andere nach Karja. Und die anderen haben sie überrumpelt, um sich für das Duell zu rächen. Aber so wahr ich hier stehe und ‚Donnerpfeil‘ genannt werde, der Raub soll ihnen keinen Segen bringen.“
Seine Augen funkelten, und seine Gestalt reckte sich. Er war nicht mehr der kranke, hilflose Patient, sondern ganz wieder der frühere Westmann, der die Rache in seine Brust verschloß, um die Szene offen zu halten.
„Aber was tun wir?“ fragte Arbellez.
„Wir verfolgen sie und werden sie erwischen, obgleich sie es sehr schlau angefangen haben. Sie haben sich in fünf Teile geteilt und sind von hier aus, wo sie sich versammelten, nach verschiedenen Richtungen fort. Je drei haben einen Gefangenen bei sich gehabt, fünfzehn Mann und fünf Gefangene. Es gibt ganz sicher einen Punkt, an dem sie sich wieder vereinigen, und dieser ist jedenfalls jenseits des Gebirges.“
„So müssen wir jeder dieser Spuren einzeln folgen?“
„Nein. Der Räuber ist Verdoja. Hier darf er sich nicht sehen lassen, in Durango auch nicht; in Chihuahua ist er ansässig, sicher geht er dorthin. Da muß er durch die Mapimi, und ich bin überzeugt, daß am Rand dieser Wüste sich diese Spuren vereinigen. Hätte ich ‚Büffelstirn‘ oder ‚Bärenherz‘, den Apachen, hier, so wüßte ich, daß in sechs Tagen Emma wieder in Ihren Armen läge.“
„Oh, Antonio“, rief der Haziendero, „nehmen Sie alle meine Vaqueros und Ciboleros mit sich. Ich selbst will mitgehen! Nur befreien Sie meine Tochter!“
„Haben Sie keine Sorge, mein Vater! Ich werde sie befreien. Aber von Ihren Vaqueros geben Sie mir nur zwei mit, den braven Francesco, der mich begleiten soll, und noch einen, den ich zurücksende, sobald ich eine gute Spur gefunden habe.“
„Und wann brechen Sie auf?“
„Sogleich. Geben Sie mir sechs Pferde mit, damit ich morgen früh frische Tiere habe.“
Als sie die Hacienda wieder erreichten, standen alle Angehörigen des Landgutes bereits versammelt. Marie Hermoyes hatte nicht zu schweigen vermocht, sondern Alarm geschlagen. Arbellez gab Auskunft und teilte seine Befehle aus, wobei ihm immer die Tränen des Grames über die Wangen liefen. Helmers aber ging nach seinem Zimmer, um seinen Trapperanzug wieder anzulegen. Dann suchte er noch die Zimmer der Verschwundenen auf, und als die Pferde gesattelt unten standen, lud man ihnen nicht nur Munition und Proviant, sondern auch einige Pakete auf, in welchen sich verschiedenes, was den Verschwundenen gehörte befand, besonders aber ihre Waffen.
„Ich werde sie finden“, sagte Helmers, „und dann werden sie sich freuen, sofort die Waffen zu haben, an welche sie sich gewöhnt haben.“
Er nahm innigen Abschied von dem Haziendero und sprengte, von dem Segen desselben begleitet, mit seinen beiden Vaqueros dem Westen entgegen.
Pedro Arbellez blieb zurück. Er wäre von Herzen gern mitgeritten, um sein einziges Kind aus der Gefangenschaft dieser Menschen zu befreien; er war voll Schmerz über ihr Schicksal und voll Grimm über die Räuber, aber er konnte die zwei Haciendas, deren Herr er jetzt war, nicht ohne Aufsicht lassen, und so blieb dem alten, frommen Mann nichts übrig, als für die Rettung seiner Tochter und der übrigen Gefangenen zu beten.
Anton Helmers, oder,
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