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44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wände waren glatt; das schloß jede Gefahr für das Seil aus. Vor Jahrhunderten hatte er wohl Wasser gegeben, jetzt aber war er ausgetrocknet. Mariano stand an einem porösen Felsen, welcher ringsum von einer sandigen Erdschicht umgeben war. Durch diese war vor Jahren das Wasser hereingesickert.
    Jetzt sah sich der junge Mann nach Verdoja um. Dieser lag zusammengekrümmt wie ein Hund vor seinen Füßen und ließ aus dem offenen Mund jenes Wimmern hören, welches hier unten noch viel schrecklicher klang als oben. Die Lippen zeigten einen blutigen Schaum; die Augen standen offen, waren aber nicht stier, sondern hatten einen Ausdruck, der erkennen ließ, daß Verdoja bei vollständiger Besinnung sei.
    „Schreien Sie nicht, sondern antworten Sie“, sagte Mariano. „Ich komme, Ihnen zu helfen.“
    Der Verunglückte hörte einen Augenblick lang auf mit wimmern und sah den Retter mit einem Blick an, welchem ein wahrhaft teuflischer Haß zu erkennen war.
    „Wo ist Pardero?“ fragte er.
    Aber man sah ihm an, daß ein jedes Wort ihm die fürchterlichsten Schmerzen bereitete.
    „Tot“, antwortete Mariano.
    „Der Wächter?“
    „Auch tot.“
    „Die Mädchen?“
    „Sie sind oben bei uns.“
    „Mörder.“
    Er wollte die Fäuste ballen, aber es ging nicht; er hatte beide Arme gebrochen.
    „Schmähen Sie nicht“, gebot Mariano ernst. „Sie sind an allem selbst schuld! Und dennoch werden wir Sie retten.“
    „Ihr? Wie?“ fragte Verdoja.
    Aber er litt dabei solche Schmerzen, daß er fast zwischen jeder Silbe ein schneidendes Jammern ausstieß, und daß seine Worte schwer zu verstehen waren.
    „Wir ziehen Sie mit dem Seil hinauf und schaffen Sie nach der Hacienda.“ Über das schmerzverzerrte Gesicht Verdojas glitt für einen Augenblick ein lichter Zug; dann aber verfinsterte er sich wieder und er fragte:
    „Wie kommt ihr hinaus?“
    „Sie werden sagen, wie die Türen zu öffnen sind, und welchen Weg wir einzuschlagen haben.“
    „Ah! Ihr wißt es nicht!“
    Ein Zug wahrhaft höllischer Schadenfreude verzerrte sein Gesicht noch mehr, als es bereits vom Schmerz geschah, dann fügte er hinzu:
    „Ihr müßt verhungern – verdursten – verschmachten!“
    Er rief jedes der drei Worte in einem höheren Ton, bis die letzte Silbe über die höchste Fistel schnappte. Er genoß eine Genugtuung, welche sogar die fürchterlichen Schmerzen, welche er litt, betäubte.
    „Wir werden nicht verschmachten“, antwortete Mariano, „denn Sie werden wieder frei und gesund sein wollen, und das können Sie nur durch uns.“
    „Frei! Gesund! Ah!“ stöhnte Verdoja. „Nie! Arme gebrochen! Rückgrat gebrochen! Ich muß sterben!“
    „Sie werden nicht sterben; Sie werden leben und zwar durch uns. Wollen Sie sich uns anvertrauen?“
    „Nie! Nie! Auch ihr sollt sterben!“
    Der Schaum um seinen Mund verdoppelte sich, und seine Augen drohten aus ihren Höhlen zu treten. Er glich einer Schlange, welche sich noch im Tod windet, um Gift zu spritzen. Mit Marianos Geduld ging es fast zu Ende.
    „Aber Mensch, Sie richten sich ja selbst zugrunde!“ rief er.
    „Ich will es!“ antwortete Verdoja. „Und auch ihr sollt zugrunde gehen, verfaulen, in die Hölle fahren!“
    „Ist dies Ihr letztes Wort?“
    Da fletschte der Mensch die Zähne und grinste:
    „Mein letztes, letztes, letztes.“
    „Nun gut, so hört die Liebe auf, und die Strenge beginnt“, sagte der junge Mann. „Wenn Bitten nicht helfen und die eigene Lust zum Leben, so gibt es andere Mittel, einen solchen Teufel zum Reden zu bringen. Wir haben keine Lust, in Folge deiner höllischen Bosheit hier zu verschmachten.“
    Er kniete neben Verdoja nieder, faßte die beiden Arme desselben an der Stelle, wo sie gebrochen waren, und drückte sie da mit aller Gewalt. Diese Art der Folter preßte dem Bösewicht einen Schrei aus, von dem Mariano meinte, er müsse da oben sogar außerhalb der Pyramide gehört werden.
    „Wie werden die Türen geöffnet?“ fragte er.
    „Ich sage es nicht!“ brüllte Verdoja.
    „Du mußt es sagen; ich lasse nicht nach!“
    Er drückte die Stellen mit aller Macht. Das Geschrei, welches Verdoja bei den entsetzlichsten Schmerzen ausstieß, glich dem Gebrüll von zehn Tigern, aber er gab die gewünschte Antwort nicht. Da faßte ihn Mariano bei den Beinen. Das half nichts, sie waren gänzlich gefühllos; der Mensch hatte den unteren Teil des Rückgrates gebrochen und lachte höhnisch auf, als er die Erfolglosigkeit von Marianos Bemühungen sah. Dieser

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