44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
und ebenso ein großer Teil des Nachmittages; da endlich erblickten sie in der fernen Ebene vor sich zwei kleine, dunkle Punkte.
„Das ist er, er und das ledige Pferd!“ sagte ‚Donnerpfeil‘. „Ah, wir müssen ihn einholen, ehe es Nacht wird.“
Sie gaben den Pferden die Sporen zu fühlen, was eigentlich gar nicht notwendig war, und flogen in größerer Schnelligkeit als derjenigen eines Eilzuges über den Boden dahin. Wieder verging eine halbe Stunde. Die beiden Punkte vergrößerten sich. Man erkannte bereits einen Reiter mit einem ledigen Pferd. Man sah jetzt sogar, daß dieser Reiter die Büchse quer über sich erhob und über dem Kopf wirbelte.
„Er hat sich umgedreht und uns gesehen“, sagte ‚Donnerpfeil‘.
„Aber er hält uns für Feinde“, bemerkte Francesco.
„Warum?“
„Weil er nicht anhält und uns erwartet.“
„Mein guter Francesco, du bist ein tüchtiger Vaquero, aber kein Savannenmann. Wenn er uns erwarten will, so verliert er Zeit und Raum. Hier ist jede Minute kostbar. Des Nachts können wir die Spuren der Räuber nicht sehen; da bleiben wir zurück, während sie jedenfalls die Nacht noch zum Ritt benutzen. Also müssen wir die Helligkeit bis zur letzten Sekunde ausbeuten. Darum überläßt Sternau es uns, ihn einfach einzuholen.“
„Aber wir könnten doch auch andere sein?“
„Dann wäre es desto dümmer von ihm, nur einen Augenblick unsertwegen gewartet zu haben. Er ahnt aber bereits, daß wir zu ihm gehören. Siehe, er gibt das Zeichen wieder.“
Jetzt erhob auch ‚Donnerpfeil‘ seine Büchse und wirbelte sie über dem Kopf. Dies genügte, um Sternau wissen zu lassen, daß er einen Bekannten hinter sich habe, und dieser konnte doch nur von der Hacienda del Erina kommen.
„Wir kommen ihm doch näher“, meinte Francesco.
„Das ist erklärlich“, antwortete ‚Donnerpfeil‘. „Er hat die Pferde nehmen müssen, wie sie waren, gut oder schlecht, während wir uns die besten aussuchen konnten. Übrigens sind die seinigen nicht frisch gewesen, während die unserigen ledig gegangen sind. Auch ist er viel schwerer als einer von uns beiden. Siehe, jetzt wechselt er!“
Sie sahen, daß Sternau mitten im Galopp von seinem Reitpferd sich hinüber in den Sattel des anderen schwang.
„Er nimmt sich nicht einmal Zeit, während des Umsteigens anzuhalten; das ist recht von ihm“, nickte ‚Donnerpfeil‘. „Paß auf, daß er seine Schnelligkeit nicht im geringsten mindert, um uns zu begrüßen, sobald wir ihn erreichen. Er ist der ‚Fürst des Felsens‘ und weiß genau, um was es sich handelt.“
Die Entfernung zwischen den Reitern verminderte sich immer mehr. Man konnte sich bereits hören.
„Herr Sternau!“ rief ‚Donnerpfeil‘ in deutscher Sprache.
Da drehte der Angerufene das Gesicht zurück und antwortete:
„Herr Helmers! Ah, ich habe Sie schon längst erkannt!“
„Hallo! Woran denn?“
„So reitet nur ein Westmann, und auf El Erina waren Sie nur der einzige noch. Aber machen Sie vorwärts!“
„Komme gleich!“
Er erhob sich im Sattel, um die Last zu erleichtern, und stieß einen schrillen Schrei aus. Sein Pferd schoß dahin, wie ein Pfeil, dasjenige Francescos ebenso, und in einigen Minuten galoppierten beide an Sternaus Seite dahin.
„Willkommen, und Gott sei Dank!“ sagte dieser, den beiden die Hand reichend. „Haben Sie meinen Zettel gefunden?“
„Ja, er ist bereits nach der Hacienda unterwegs.“
„Das ist gut. Sie hatten noch einen Mann mit?“
„Ja um Señor Arbellez Nachricht zu bringen, sobald wir Gewißheit fanden.“
„Recht so. Aber warum beladen Sie Ihre Pferde mit solchen Paketen?“
‚Donnerpfeil‘ lächelte.
„Das sind lauter notwendige Sachen“, sagte er. „Ich dachte, daß die Ausrüstung der Herren, welche ich befreien wollte, sehr mangelhaft sein werde, und darum habe ich einiges mitgebracht. Ihr Trapperanzug und alle Ihre Waffen sind mit dabei.“
„Ah, wirklich?“ fragte Sternau erfreut.
„Ja.“
„Mein Bärentöter?“
„Ja.“
„Mein Henrystutzen?“
„Natürlich!“
„Meine Revolver, Messer und Tomahawk?“
„Alles, alles! Auch die Waffen Marianos und meines Bruders habe ich mitgebracht.“
„Ich danke Ihnen! Das ist sehr umsichtig gehandelt. Übrigens hindert uns der Galopp ja nicht im Sprechen. Wie steht es auf der Hacienda? Wann entdeckte man den Überfall?“
‚Donnerpfeil‘ erzählte alles von dem Augenblick seiner Rückkehr von der Hacienda Vandaqua an bis zum
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