44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
gefunden.
Die Zigeunerin aber hatte ihn schadenfroh angegrinst und unter boshaftem Lachen gesagt:
„Ja, wir sind beide in Schande alt geworden, niemand kennt uns mehr!“
„Weib, wer bist du?“ hatte er sie da angedonnert, so daß seine kranke Lunge ihn schmerzte.
„Ich glaube, daß du Zarba, die Zigeunerin, nicht mehr kennst, aber vergessen hast du sie sicherlich nicht!“
So war ihre Antwort gewesen. Er erschrak, aber er faßte sich und fragte:
„Was willst du von mir?“
„Rechenschaft!“ rief sie, die braune Rechte erhebend.
„Rechenschaft!“ sagte er, wie zu sich selbst, im Traum. „Ja, Rechenschaft! O, die habe ich mir bereits selbst abgefordert. Ich gehe ein, ich sterbe. Mein Leben ist zu kurz, um wieder gut zu machen, was ich tat, und ich habe keinen Erben, der um des Vaters willen die Sühne auf sich nimmt.“
„Keinen Erben!“ lachte Zarba. „Ja, keinen Erben hast du! Die stolze, edle Familie der Olsunnas geht zu Grabe, ihr Wappen wird zerbrechen, und ihr Geschlecht stirbt aus. Das ist der Fluch deiner Jugendsünden. Aber ich will dir etwas sagen: Einen Erben hast du, du stolzer Herzog, aber er ist illegitim. Zwar bist du einflußreich und mächtig, du könntest ihn legitimieren lassen, du könntest dich mit seiner Mutter noch vor deinem Tod vermählen, denn sie ist Witwe, aber ich werde dir nicht sagen, wo sie sich befindet. Das ist die Rache, die ich an dir nehme!“
„Ha!“ rief er. „Diese Rache wäre fürchterlich!“
„Nicht so fürchterlich wie dein Verbrechen war!“
„Ich habe ein Kind, einen Knaben?“ fragte er.
„Ja, einen Knaben, einen Mann, der herrlicher ist als tausend andere, er ist ein Held an Tugend, an Wissen und an Tapferkeit, aber du sollst ihn nicht finden!“
„Wer ist seine Mutter?“
„Jene deutsche Erzieherin, Señorita Wilhelmi. Sie ging nach Deutschland und fand dort einen braven Mann. Sie ward Witwe, aber sie erzog deinen Sohn zu einem Mann, der würdig ist wie kein zweiter, die Herzogskrone zu tragen. Suche sie, ja, suche sie nur, du wirst sie niemals finden!“
Da hatte er ihr die Hände entgegengestreckt und sie bittend angerufen:
„So grausam darfst du nicht sein. Sage mir, wo er zu finden ist, und ich werde alles gut machen. Ich will dir Gold und Steine, ich will dir Hunderttausende geben, nur sage mir, wo ich diesen Sohn finde!“
Zarba hatte ihn jedoch nur höhnisch angelacht und war dann im Gebüsch verschwunden, das war ihre Antwort, ihre Rache, aber nur der Anfang derselben.
Von dieser Zeit an hatte er keine Ruhe mehr gehabt, keine Ruhe bei Tage und keine Ruhe bei Nacht. Er hatte Boten ausgesandt, Deutschland zu bereisen und seinen Sohn zu suchen. Er hatte mit fieberhafter Ungeduld ihre Berichte erwartet, aber sie waren alle wieder zurückgekehrt, ohne ihre Aufgabe gelöst zu haben. Er wußte den Namen jenes von ihm verführten Mädchens noch, aber er hatte vergessen, aus welcher Gegend Deutschlands Señorita Wilhelmi gewesen war. Er schrieb dem Gesandten seines Landes in Deutschland, aber auch dies war ohne Erfolg, denn die nachmalige verwitwete Frau Sternau lebte in solcher Abgeschiedenheit bei dem Oberförster, daß man ihre Verhältnisse gar nicht kannte.
So verging Monat um Monat. Krankheit und Reue, Ungeduld und Sehnsucht zehrten um die Wette an dem Leben des Herzogs. Und das allerschlimmste war; daß nun die fürchterliche Zigeunerin, die Mitwisserin seiner leichtsinnigen Jugendstreiche, der auch er einst Liebe geheuchelt und sie betrogen hatte, sich an seine Fersen heftete und ihm häufig erschien, um ihn zu verhöhnen. So oft er seine Wohnung verließ, begegnete er ihr, und ihre Worte oder ihre Blicke sagten ihm, daß ihre Rache eine unversöhnliche sei, und daß er von ihr niemals erfahren werde, wo sich sein Sohn befinde.
Das rieb ihn auf. Die Ärzte rieten ihm eine Veränderung des Ortes, er verreiste, aber kaum war er aus dem Wagen gestiegen, so hielt ein anderer an, aus dem ihm das höhnische Gesicht Zarbas entgegengrinste.
Da las er von der neu entdeckten Heilquelle in Avranches, und er ließ alle Pracht und allen Glanz hinter sich, nahm nur seine Tochter und zwei Domestiken mit und reiste nach Frankreich. Diese Reise verzehrte einen großen Teil seiner noch übrigen Kräfte, aber er hatte die Hoffnung, von der fürchterlichen Zigeunerin erlöst zu sein.
Bereits nach einiger Zeit bemerkt er, daß die Seeluft ihm schade, anstatt ihm zu nützen. Er wurde immer schwächer, es war, als ob der Tod seine kalte
Weitere Kostenlose Bücher