44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
weniger grob! Wer sind Sie?“
„Ob ich grob bin oder nicht, das ist meine Sache! Und wer ich bin, das geht Sie gar nichts an“, lautete die noch gröbere Antwort.
„Vielleicht geht es mich aber doch etwas an! Ich habe Sie gefragt, wer Sie sind!“
„Ich bin der Wächter des Leuchtturmes“, erwiderte Gabrillon, der sich unwillkürlich dem Eindruck der gebieterischen Blicke Ottos nicht entziehen konnte.
„Nun wohl, ich wünsche den Leuchtturm besteigen zu können.“
„Das geht nicht.“
„Warum nicht?“
„Es ist nicht erlaubt!“
„Wer hat es verboten?“
Diese Frage brachte Gabrillon einigermaßen in Verlegenheit, denn es war behördlich nicht untersagt, den Leuchtturm zu betreten, die dabei verabreichten Trinkgelder hatten vielmehr bisher einen nicht ganz unbedeutenden Teil seiner Einnahmen gebildet.
„Es ist verboten, und damit gut!“ antwortete er trotzig.
„Ich wünsche aber doch sehr, zu erfahren, von wem dieses Verbot ausgeht!“ sagte Otto, dem das Verhalten des Wärters als dasjenige eines Menschen vorkam, der sich nicht auf einem rechtlichen Weg befindet.
„Ich bin der treue, gute Alimpo!“ sprach jetzt der Wahnsinnige zum vierten Mal.
Da erschrak Gabrillon so, daß es Otto deutlich bemerkte, und fuhr den Geisteskranken mit harter Stimme an:
„Packe dich, alter Tor, und halte den Mund mit deinen Faseleien!“
Dann faßte er ihn beim Arm und schob ihn zur Treppe. Der Wahnsinnige gehorchte willig und entfernte sich, zur Höhe emporsteigend. Nun wandte sich Gabrillon wieder zu Otto und sagte mit zusammengezogenen Augenbrauen:
„Ich habe Ihnen ja gesagt, daß der Zutritt zu dem Turm verboten ist. Was wollen Sie noch hier?“
„Ich will noch immer wissen, von wem dieses Verbot ausgegangen ist!“
„Erkunden Sie sich woanders danach. Ich habe keine Zeit, mich mit jedem abzugeben, dem es beliebt, mich in meiner Behausung zu stören. Gehen Sie!“
Gabrillon trat bei diesen Worten drohend auf Otto zu, und da dieser keine Lust fühlte, sich mit diesem Mann in Tätlichkeiten einzulassen, verließ er das Gemach, dessen Tür hinter ihm mit lautem Geräusch verriegelt wurde.
Als Otto am Strand entlang dahinschritt, kam ihm das Verhalten des Leuchtturmwärters immer verdächtiger vor. Warum sollte kein Mensch den Turm betreten?
Doch wohl nur des Wahnsinnigen wegen. Warum verweigerte dieser Mensch die Auskunft darüber, wer den Zutritt verboten hatte? Doch nur deshalb, weil es kein solches Verbot gab. „Ich bin der treue, gute Alimpo!“ Was war das für eine Rede? Steckte da irgendein Sinn dahinter? Das war jedenfalls eine Monomanie! Wer war der Wahnsinnige? Er hatte trotz seiner geistigen Gestörtheit so distinguiert ausgesehen. Diese feinen Züge, diese kleinen aristokratischen Hände konnten nicht einem Manne angehören, der in näherer Beziehung mit dem Wärter stand, dessen ganzes Auftreten dasjenige eines rohen Menschen aus der Hefe des Volkes war. Hatte man ihm den Kranken anvertraut? Diesen Gedanken konnte Otto nicht fassen. Der in allen Fugen krachende Leuchtturm war kein Ort, einen Wahnsinnigen zu beherbergen. Beim Sturm der aufgeregten Elemente konnte ein geistig Gestörter die ihm so notwendige Ruhe hier nicht finden, Heilung aber noch viel weniger.
Hier mußte ein Geheimnis vorliegen. Das schien dem Maler um so wahrscheinlicher, je mehr er darüber nachdachte. Darum beschloß er, sich den Eingang zum Turm zu erzwingen und zu diesem Behufe den Maire aufzusuchen, als den einzigen, von dem ein etwaiges Verbot ausgegangen sein konnte.
Er fand ihn in der Expedition und wurde von ihm sehr freundlich empfangen, da die beiden Männer sich von ihren Promenaden und von der Ressource her kannten.
„Womit kann ich Ihnen dienen, mein Herr?“ fragte der Beamte.
„Mit einer kleinen Auskunft, Monsieur. Wer hat den Zutritt zu dem Leuchtturm verboten?“
„Meines Wissens niemand“, lautete die Antwort.
„Ihres Wissens? Ich denke, daß Sie infolge Ihres Amtes jedenfalls der Mann sind, es am ehesten und besten zu wissen.“
„Ja, wer hat denn von einem solchen Verbot gesprochen?“
„Der Wärter!“
„Ah, Gabrillon! Der ist ein eigentümlicher Kerl, eine Art Menschenhasser oder Menschenfresser. Er sieht es gern, wenn man ihn in Ruhe läßt, er mag nicht gestört sein, mein Herr.“
„Ah! Worin könnte ein Mann gestört werden, der nichts zu tun hat, als des Abends seine Lichter anzubrennen und des Morgens wieder zu verlöschen? Gibt es etwas Gesetzwidriges bei ihm,
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