Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens

Titel: 44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Geliebten seinen Namen nicht genannt hatte. Er hatte ihr Auge in Glück und Liebe aufleuchten sehen, er durfte wiederkommen, so bald und so oft es ihm beliebte, was wollte er mehr?
    Da wurde er aus seinem Sinnen durch eigentümliche Töne aufgeschreckt, die an sein Ohr klangen. Kamen sie von einer menschlichen Stimme? Das klang so klagend, so trostlos, und doch so sanft und ruhig. Jetzt wieder! Ja, es war ein Mensch, der sprach. Die einzelnen Worte waren nicht zu verstehen, aber sie wiederholten sich immer wieder, es war stets derselbe Klang, derselbe klagende, ergreifende Ton.
    Otto fühlte sich im Innern gepackt, ohne daß er sagen konnte, warum. Ein Glücklicher war derjenige, der solche Laute hören ließ, sicherlich nicht. War es vielleicht einer, der der Hilfe bedurfte?
    In seiner seligen Stimmung konnte Otto nicht gleichgültig bleiben bei dem Gedanken, daß es einen gebe, den er trösten könne. Er erhob sich also, trat um die Ecke des Turmes herum und befand sich bei der Eingangstür. Sie war nicht verschlossen, er öffnete und trat ein.
    Der Turm bestand hier nur aus den vier hölzernen Wänden, die an hoch emporstrebende Schiffsmasten genagelt waren. Eine schmale, hölzerne Wendeltreppe führte nach oben. Otto stieg empor und gelangte nun an einen stubenähnlichen Verschlag, dessen Tür von innen verriegelt war. Aus diesem Verschlag klangen die Töne, die er gehört hatte, sie klangen auch jetzt noch fort. Er klopfte an, und sofort schwieg der geheimnisvolle Sprecher.
    Doch nach einem abermaligen Pochen hörte er Schritte, die sich näherten. Dann wurde der Riegel zurückgeschoben und die Tür geöffnet. Es stand ein Mann vor derselben, schlank und hoch, aber von gebeugter Gestalt. Sein Bart und Haar waren schneeweiß, und sein Gesicht trug fast die weiße, mattglänzende Farbe des Alabasterglases.
    „Sie entschuldigen, mein Herr, daß ich Sie störe“, sagte Otto, natürlich französisch, da er sich ja in Frankreich befand. „Ich hörte jemand in einem sehr klagenden Ton sprechen, und da ich dachte, daß –“
    Er hielt mitten in seiner Rede inne, die zwei Augen, die starr und ausdruckslos auf ihm ruhten, machten ihn irre. Dieses schöne Greisenantlitz konnte dennoch keinem ganz hochbejahrten Mann angehören, wie die Weiße des Haares es vermuten ließ, es war öde und leer, und das starr geöffnete Auge war tot, ohne alles geistige Leben. Otto faßte sich wieder und fragte:
    „Sind Sie vielleicht unglücklich, mein Herr? Bedürfen Sie vielleicht der Hilfe?“
    Der Fremde stand noch immer unbeweglich unter der Tür, die er in der Hand hielt, und blickte ihn mit den glanzlosen Augen an. Da öffnete er plötzlich die bleichen, farblosen Lippen und sagte, nicht in französischer, sondern in spanischer Sprache:
    „Ich bin der gute, treue Alimpo!“
    Das klang in einem leisen, klagenden, geistesabwesenden Ton, in demselben Ton, den Otto vorhin gehört hatte. Er hatte sofort die Überzeugung, daß er es hier mit einem geistig gestörten Menschen, mit einem Wahnsinnigen zu tun habe, der aber nicht gefährlich sei. Darum blieb er stehen und fragte:
    „Sind Sie ein Bewohner dieses Turmes?“
    „Ich bin der treue, gute Alimpo“, klang es zum zweiten Mal.
    Ja, das war der Wahnsinn, dieser Ton der Stimme, die unbeweglichen Züge, das erstorbene Auge bestätigten es. Otto schauderte, aber dennoch sagte er:
    „Ich wünschte, es wäre erlaubt, den Turm einmal zu betreten. Man muß von seiner Höhe eine weite Aussicht nach der See haben.“
    Der andere hatte jedenfalls kein Wort dieses Wunsches verstanden, denn er wiederholte abermals:
    „Ich bin der treue, gute Alimpo.“
    Da trat Otto einen Schritt näher, und nun wich der Wahnsinnige zurück, so daß der erstere eintreten konnte. Jetzt ließen sich Schritte vernehmen, die von oben herabkamen. Aus diesem Raum führte nämlich eine Treppe abermals in die Höhe. Es erschien ein Mann, der die rauhe Kleidung eines armen Seemannes trug. Ein dichter, struppiger Bart verbarg den unteren Teil seines Gesichtes. Sein Auge blickte zornig auf den Eingetretenen, und mit einem höchst barschen Ton fragte er:
    „Was wollen Sie? Wer hat Ihnen erlaubt, hier einzutreten?“
    Es war Gabrillon, der Leuchtturmwärter. Otto war nicht gewohnt, in einem solchen Ton mit sich reden zu lassen; zumal von einem so gewöhnlich aussehenden Menschen fiel es ihm nicht ein, es zu dulden. Daher antwortete er in einem ruhigen, aber sehr bestimmten Ton:
    „Bitte, sprechen Sie ein bißchen

Weitere Kostenlose Bücher